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Über den Flügeln des Geistes

Salzburg


Autorin Helga Langer

 

Landestheater Salzburg

Ein feierlicher Tag im Oktober 1893: Kaiser Franz Josef ist bei der Eröffnung des neu errichteten Stadttheaters in Salzburg anwesend. Aus Respekt vor dem Herrscher gibt es die Ouvertüre aus Mozarts „la Clemenca di Tito“, die den milden vergebenden Kaiser beschreibt; diese bürgerliche Bestimmtheit wird betont durch das eher komische Drama „Der Talisman“ von Ludwig Fulda, in dem amüsant-charmant der Absolutismus ad absurdum geführt wird. Und bis heute wird das Spielprogramm des Theaters geprägt durch den respektvollen Umgang mit historisch-traditionellem einerseits und dem freien Denken und Gestalten auf der Bühne andererseits.  Für diesen wichtigen gesellschaftlichen  Beitrag  bedurfte es eines besonderen Hauses, dem heutigen Landestheater, dass mit den seinerzeit neusten Baumethoden von den Architekten Fellner und Helmer innerhalb von zwei Jahren geplant und errichtet wurde. Die heutigen Forderungen nach Brandschutz, Nachhaltigkeit, Pflegeleichtigkeit waren für die Architekten Fellner und Helmer schon Ende des 19. Jahrhunderts selbstverständlich, auch stilistisch waren sie wegweisend für eine neue Epoche europäischer Architektur.  Von den 48 Theatergebäuden, die von dem Wiener Büro Fellner und Helmer in Europa errichtet wurden, sind die meisten auch heute noch in Betrieb. Die praxisbezogenen Eigenschaften von Zink am Bau waren damals schon 100 Jahre bekannt, das Landestheaters Salzburg wurde wie viele andere Bauten in dieser Zeit mit Zinkblech eingedeckt. Seither wurde das Theater mehrmals umfassend umgebaut. 1939 wurde einiges von der ursprünglichen Substanz dem nationalsozialistischen Zeitgeist geopfert. Bei den Restaurierungsarbeiten und technischen Modernisierungen in neuster Zeit wurde sehr sorgfältig mit der historische Bausubstanz umgegangen, nach vorangegangener Analyse wurde unter der Wachsamkeit von Bundesdenkmalamt und Altstadterhaltungskommission originalgetreu restauriert.

 

Das Dach – Schutz über den Flügeln des Geistes

2008-2009 wurde das Dach erneuert unter dessen Schutz seit 117 Jahren die Flügel des Geistes den Verstand und die Herzen der Gäste bewegen. Die 2400m² Dachlandschaft des Landestheaters  ist gekrönt durch die sogenannte  „Laterne“ über dem Kuppeldach des Zuschauerraumes, die zur Entlüftung und dem Herablassen und Hochziehen eines riesigen Kristalllüsters dient. Die Entlüftung des Zuschauerraumes über die Laterne war bevor das Landestheater mit einer Klimaanlage ausgestattet wurde mehr oder weniger die einzige Ablüftungsmöglichkeit. An das Kuppeldach sind das viereckige flache Pyramidendach des Schürbodens und die flachen Dächer der seitlichen Gebäudeteile angeschlossen.  Die Restaurierung dieser Dachlandschaft mit vorbewittertem Material Rheinzink ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die ästhetische Komponente des vorbewitterten Materials Rheinzink überzeugte die strengen Hüter der Kulturschätze in Salzburg: das Bundesdenkmalamt und die Altstadterhaltungskommission. Die Verlässlichkeit und das technische Know how der Mitarbeiter der Firma Rheinzink Austria GmbH waren für Bauherr und Handwerker bei dieser schwierigen historischen Dachlandschaft von Bedeutung. „Der Verarbeiter setzt jedem Material Grenzen. In der Stadt Salzburg entstanden in früherer Zeit durch falsche Verarbeitung einige Reklamationsfälle. Bei der Firma Rheinzink schätze ich die ästhetische Komponente des Materials und auch das Gesamtkonzept der Firma: Material und Serviceleistung, genau definierten Vorschriften und Vorgaben. Wichtige Erfolgsfaktoren für das Funktionieren eines Gebäudes sind meiner Meinung nach perfekte Handwerksarbeit und eine gute Kommunikation aller Beteiligten.“ so Ing. Petri der für Kunst, Kultur und Sonderbauten der Stadt Salzburg  verantwortlich ist.

„Gute Architektur schafft Stimmung. Ich sehe mich als Handwerker, der mit Formensprache, Farbe und Material arbeitet. Ich arbeite gerne mit offenporigen, natürlichen und werterhaltenden Materialien. Auch der Respekt vor der Natur und der Umgang mit den Ressourcen sind für mich wichtige Aspekte bei der Materialwahl. All diese Ansprüche erfüllt das Material Rheinzink bestes, ich bin mit diesem Material vertraut solange ich Architekt bin. In der Stadt Salzburg hat sich seit dem letzten Jahrhundert zum Schutze der Bausaustanz das Metalldach durchgesetzt. Für die Restaurierung der historischen Dachlandschaft des Landestheaters wurde das vorbewitterte Material Rheinzink aufgrund seiner ästhetischen Eigenschaften auch von der Altstadterhaltungskommission und dem Bundesdenkmalamt als ideales Material befunden.“ sagt Architekt Hans W. Scheicher, verantwortlich für die Planung der Renovierungsarbeiten am Landestheater Salzburg.

„Dem Handwerk verbunden und dem Zeitgeist entsprechend“ ist das Leitbild des traditionellen Familienunternehmens Scheicher. Seit vier Generationen arbeitet die Familie Scheicher im Bereich Gestalten, Bauen und Wohnen, diese Geschichte prägte Architekt Hans W. Scheicher in seiner Formensprache sowie im respektvollen Umgang mit Material und Detail. Architekt Hans W. Scheicher pflegt ein aktives Interesse an Kunst und Kultur, daher war es ihm eine besondere Freude für die Planung der Restaurierungsarbeiten des Landestheater ausgewählt worden zu sein um hier auf viele Fragenstellungen  „Was ist kaputt?“, „Was wurde früher falsch restauriert?“ „Wie kann man Tradition und Zeitgeist verbinden?“ Antworten zu finden und diese mit allen am Bau Beteiligten zu diskutieren.  Die Scheicher Architekten wurden für Ihre engagierten und außergewöhnlichen Leistungen mit dem österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet, es wurde Ihnen auch der R.I.O. Award „Hirnströme statt Massenströme“ verliehen.

Enthusiasmus und Teamgeist

Als  Helmer und Fellner vor fast 120 Jahren den Bau begannen, zeichnete sich deren Bürogemeinschaft durch hohe Qualität bei niedrigen Kosten und schneller Durchführung, Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit sowie Professionalität aus. Auch bei den Restaurierungsarbeiten des Landestheaters waren Planung und Koordination der unterschiedlichen Gewerke der Schlüssel zum Erfolg.  Der Theaterbetrieb musste weitergehen, die unterschiedlichen Gewerke mussten zeitlich abgestimmt werden, auch die Anforderungen des Bundesdenkmalamtes, der Altstadterhaltungskommission  und der Verkehrsplanung mussten berücksichtigt und eingebunden werden. Überraschend auftretende Probleme bei der Sanierung bedurften rascher Begutachtung und eindeutiger Entscheidung, damit zügig weiter gearbeitet werden konnte. Herr Ing. Erich Petri war Projektkoordinator, er schuf mit ansteckendem Enthusiasmus und vielfältigen Verbindungen zu Ämtern, Architekten, Historikern, Handwerkern und Künstlern ein  perfekt zusammen arbeitendes Netzwerk, ohne das eine Termin-  und kalkulationsgerechte Fertigstellung nicht möglich gewesen wäre.  „ Reich ist bei dieser Arbeit keiner geworden, aber alle Beteiligten sind stolz darauf, ihren Teil zu diesem Sanierungsprojekt beigetragen zu haben“ sagt Architekt Scheicher.

„Beispielhaft für das hohe persönliche Engagement aller Beteiligten ist auch die Arbeit von Christian Wöger von der Firma Rheinzink, er fand perfekte Lösungen für all die Probleme, die eine Dachsanierung eines solch komplexen Baues mit sich bringt.“ lobt Ing. Petri.  Die Entscheidung von Bauherren Rheinzink für die Eindeckung und Entwässerung zu wählen ist nicht nur begründet in den hervorragenden natürlichen Materialeigenschaften, sondern auch in der zuverlässigen, kompetenten und begeisterungsfähigen Persönlichkeit von Christian Wöger sowie der freundschaftlich engen Zusammenarbeit mit hochqualifizierten Spenglerbetrieben, in diesem Falle der Firma Öschlberger.

Ein Objekt, drei Generation

Großvater, Vater und Sohn, alle drei Spenglermeister im Familienunternehmen Öschlberger, standen auf der Dachlandschaft des Landestheaters und inspizieren die alte Zinkeindeckung, die Risse, Undichtigkeiten, Leckagen, ein Eindeckung die wie es schien nur noch von Farbanstrichen zusammengehalten wurde. Es gibt fast keine geraden Bahnen auf diesem Dach, überall sind Rundungen, Knicke, komplizierte Anschlüsse;  Bleche müssen dreidimensional verformt werden um zu passen und dies in luftiger Höhe unter Zeitdruck, bei unzuverlässigen Wetterbedingungen und Zwangspausen, wenn auf der Bühne Proben laufen. Verzogen und krumm waren die alten Blechbahnen, sie ließen erahnen, dass auch im Unterbau noch Probleme lauern. Und dennoch strahlte dieser alte Bau Harmonie und Ästhetik aus, forderte heraus. Der Großvater sah kummervoll all die Schwierigkeiten, Unwägbarkeiten und Risiken, er riet ab: Jungs lasst die Finger davon! Der Vater möchte ran und kalkuliert, stärker als der Ältere spürt er den Reiz der Aufgabe, die Herausforderung, wohl wissend, dass hier nicht nur hohe handwerkliche Kunst gefragt ist, sondern auch perfekte Organisation um wirtschaftlich zu bleiben. Der junge Meister erkannte sofort mit Begeisterung seine Aufgabe:  Diesem Gebäude wieder ein perfektes Dach im historisch passendem Gewand zu geben, fesselte ihn sofort: das machen wir! Und offensichtlich haben Bedenklichkeit, Wirtschaftlichkeit und Begeisterung zu einem überzeugenden Angebot geführt, dessen Ziele handwerklich, wirtschaftlich und zeitlich im weiteren Verlauf  eingehalten werden konnten.

Der junge Meister Johann Öschlberger jun. und Brunnhuber Christian der älteste Geselle des Betriebes waren bei allen Arbeiten dabei. Die Arbeitsbedingungen waren schwierig, es musste genau nach Zeitplan gearbeitet werden, um den Theaterbetrieb nicht zu stören. Das  Material musste schon um 5 Uhr früh geliefert werden – Salzburg ist eine Touristenstadt! „Jede Woche war Baubesprechung, es gab eine offene, ehrliche Kommunikation, notwendige Entscheidungen wurden von den zuständigen Beamten schnell getroffen. Unsere Spengler waren sehr stolz auf ihren Arbeitsplatz am Dach des Theaters, sie sind mit der Arbeit gewachsen. Die Eindeckung der Kuppel über dem Zuschauerraum war die größte Herausforderung,  da die ursprüngliche Holzunterkonstruktion sehr unregelmäßig ausgeführt war. Es gab viele knifflige Details in der Ausführung, wie zum Beispiel der Einbau eines Dehnungsfalzes oberhalb des engsten Krümmungsbereiches, runde Einlegerinnen, Gesimseverblechungen, konvexe Attikaabdeckungen, Lüftungsschächte. Die Arbeiten dauerten 4 Monate, am Anfang war noch Schnee und das Material musste vorgewärmt werden. Die Burschen haben wirklich gute Handwerksarbeit  gemacht, dafür wurde unsere Firma mit dem Salzburger Handwerkerpreis ausgezeichnet“ berichtet stolz der Firmenchef Ing. Hans Öschlberger.

 

"Die Golden Boys von der Baustelle"

Kunst und Bau sind eng miteinander verknüpft. Das verwundert nicht, schließlich eigneten sich gerade Bauwerke schon immer ganz besonders gut, um Kunstströmungen unübersehbar und öffentlichkeitswirksam darzustellen, ein Theaterbau ist die schützende Hülle über den Flügeln des Geistes. Für alle am Bau Beteiligten hat sich durch diese Arbeit am Landestheater das Verständnis für Kunst und Kultur noch vertieft. 

Bei der Abschlussveranstaltung des Umbaus bedankte sich das Ensemble des Landestheaters Salzburg bei allen an den Renovierungsarbeiten Beteiligten durch das amüsante Schauspiel mit Musik  "Die Golden Boys von der Baustelle" von dem Salzburger Autor/Komponisten und Schauspielers/Kabarettisten Peter Blaikner.

 

„Bei öffentlichen Projekten spielen der Preis- und der Termindruck eine große Rolle und bei historischen Projekten kommt noch Unvorhersehbares hinzu. Das Herangehen an diese Problematik ist nur in einem sehr positiven Zusammenspiel aller Beteiligten möglich. Es war erforderlich, dass jeder über seinen eigenen Zaun hinausschaut und auch die anderen Gewerke und Bereiche im Auge hält. Das positive Klima wurde im Besonderen durch die Nutzer des Hauses - das Landestheater Salzburg mit Frau Dir. Mag. Scharnhorst und Herrn Schebot - den Bauherrnvertreter Herrn Ing. Petri mit allen Konsulenten und ausführenden Firmen geschaffen.“ berichtet Architekt Scheicher begeistert.

 

Es ist ein Freude festzustellen, wie nahe sich Kunst und Handwerk sind, wie gut hier unterschiedliche Rollen und Interessen nutzbringend und erfolgreich zusammengespielt haben.

 

 

 

Bautafel:

Landestheater Salzburg,

Bauherr

Magistrat der Stadt Salzburg

Architekten Scheicher ZT GmbH, Adnet

http://www.scheicher.at

Planung und Örtliche Bauaufsicht (in ARGE):

- Architekten Scheicher, Adnet www.scheicher.at

- SABAG, Salzburg www.sabag.at

Zimmerer

Zimmerei Winkler, Thalgau

http://www.winkler-holzbau.at/

Spengler

Öschlberger – Dach – Fassade – Bad – Heizung
Ing. Johann Öschlberger, Seekirchen am Wallersee

http://www.oeschlberger.at