Beschreibung:
Wer erfahren möchte, wie die heutige Verquickung der Heilkunde mit der Politik entstanden ist, findet in dem unterhaltsamen Buch von Dr. Peter A. Bochnik zahlreiche Schlaglichter, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit Szenen aus dem Mittelalter, den Universitäten, den Hebammen, den Badern und Barbieren, der katholischen Kirche und der Juden in Europa ausleuchten.
Auszüge aus dem Fazit meiner auf kritisch-lesen.de erschienen Rezension:
„Auf
was lasse ich mich denn eigentlich im Hinblick auf meine berufliche
Lebensperspektive ein?“ (S. 13) Am Beginn der Untersuchung steht die
Reflexion der eigenen Ausbildung als Mediziner. Bochniks Arbeit kann
gelesen werden als Seismograph einer politisierten post-„68er“-Zeit:
Ivan Illichs Thesen aus „Die Enteignung der Gesundheit“ zur
Medikalisierung des Lebens und der Verschlechterung des gesundheitlichen
Zustandes erst durch medizinische Eingriffe begleiten die Kritik der
Medizin aus Studierenden-Sicht und veranlassen Bochnik zu der
historisch-soziologischen Studie über die Entstehung des „ewigen
Ärztestandes“ (ebd.). Er identifiziert die Grundsätze der katholischen
Kirche als ursächlich für eine frauenfeindliche und antisemitische
Medizin, deren Nachbeben bis heute im Diskurs zu spüren sind.
Das
Buch ist die aufgearbeitete Version von Bochniks Dissertation „Aspekte
der Professionalisierung des Arztes. Ärztliches Verhalten und
Standespolitik in der Interessens- und Zielverflechtung mit der
katholischen Kirche bei der Auseinandersetzung mit jüdischen und
weiblichen Heilkundigen“. Bereits der nun gewählte Titel weist auf eine
Bearbeitung hin, die dieses Buch einem breiteren Publikum zugänglich
machen soll – und kann. Und wohl auch aus diesem Grund verzichtet
Bochnik auf konsequente Belege seiner Ausführungen jenseits der
gewählten Zitate. Für den wissenschaftlichen Gebrauch kann das Buch
damit vor allem als Türöffner zum Thema dienen, das sollte ihm aber
nicht zum Nachteil ausgelegt, sondern als eine seiner Stärken verstanden
werden: Wissenschaftliche Erkenntnis, derart gestaltet, dass sie mehr
als nur dem akademischen Viertel der Bevölkerung zugänglich ist, deute
ich als die Erfüllung (eines) gesellschaftlichen Auftrags
wissenschaftlichen Arbeitens. Das im Buch präsentierte Wissen ist breit
angelegt und auf etwas mehr als 100 Seiten sehr dicht präsentiert. An
einigen Stellen jedoch bleiben vermeintliche Fakten vage und einige
Aussagen erscheinen in einem allzu parteilichen Licht.
Bochnik
präsentiert sich mit diesem Buch insgesamt als reflektierter Mediziner,
der die Normen eines Berufsstandes nicht adaptiert, ohne nach ihrem
Zweck zu fragen. Er kommt zu dem Schluss: „Wenn Traditionen lebendig
gebliebene Normen sind (…), dann können wir uns vor diesem Anteil der
Geschichte nicht drücken; zu naheliegend ist die Vermutung, daß eine
Reihe der dargestellten Sachverhalte auch heute noch ihre Wirksamkeit
haben.“ (S. 111) Bochnik erweist sich damit auch in der Zusammenschau am
Ende des Buches als Arzt mit einem kritischen Verhältnis zur eigenen
Profession – die sich dann gegenwärtig auch darin beweist, dass er, als
„der ärztliche Beruf … zur Routine zu erstarren“ drohte, sich einem
neuen Berufsfeld zuwendet.
Vollständige Rezension zu finden unter:
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