REVOLUTIONÄR und BEWAHRER
Interview Helga Langer mit Architekt DI Jakob Dunkl am 11- Mai 2009
Helga Langer:
Das Team der „querkraft architekten" definiert sich dadurch, dass quer gedacht wird, Anforderungen und Lösungen hinterfragt werden, indem das soziale und landschaftliche Umfeld mit einbezogen wird - ein klassisches Beispiel dafür ist der Museumsbau Liaunig. Der Bau des Privatmuseum Liaunig zeigt die Schönheit der Kunst und der Architektur auch bei stringenten wirtschaftliche Kriterien.
Herr Architekt Dunkl, ich sehe Sie als Revolutionär und Bewahrer, Künstler und Unternehmer, Lehrender und Lernender - was ist Ihre Antwort auf die Frage:
„Wie werden sich Kunst und Architektur in einer Zeit der weltweiten Wirtschaftskrise entwickeln?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Danke für die Einschätzung!
Der volle Umfang der Krise ist noch immer nicht abzuschätzen, daher trauen wir uns keine Prognose zu, ob sich Kunst und Architektur dadurch tatsächlich fundamental verändern.
Möglicherweise kommt es zu einer Rückbesinnung auf wesentliche Wert: auf Lebensqualität und den Menschen im Mittelpunkt sämtlichen Handelns. Dies wäre zumindest für den Bereich der Architektur wünschenswert.
Nehmen wir Wien als Beispiel: im Rahmen unserer Gastprofessur an der TU Wien stellen wir das Entwurfsthema: ein Megagebäude mit hohem Anteil an Wohnnutzung direkt am neuen Hauptbahnhof, an einem autofreien Gürtel, welcher ein grüner Prachtboulevard sein könnte. Statt staatlich subventionierter Abwrackprämie für ein Verkehrssystem in der Sackgasse sollte man besser unsere Städte lebenswert umgestalten! Dies könnte beispielsweise eine Erkenntnis aus der Krise sein.
Helga Langer:
Alles Neue bedeutet Risiko -also einen Moment des Verlustes der Kontrolle - die IG Architektur lädt zu einem „Verlust-der-Kontroll-Fest" ein - Ist dies eine typische wienerische Antwort auf den allgemeinen Schrecken der Wirtschaftskrise?
Architekt DI Jakob Dunkl:
„Verlust- der- Kontrolle- Fest"? Herrlich, wenn damit gemeint sein sollte, durch Risiko und Experiment eingefahrene Bahnen zu verlassen! Dann wäre es aber eher unwienerisch und sehr positiv.
Machen wir es konkret: was könnte ein Experiment bringen? Alle jammern über die Baukosten - beim geförderten Wohnbau kann sich nur mehr der gut situierte Mittelstand die Wohnungen leisten. Wie wäre es mit einem „Verlust-an-Kontrolle-Experiment"? Machen wir doch in Wien eine experimentelle Mustersiedlung, wo alles erlaubt ist, was in irgendeiner europäischen Bauordnung zulässig ist. Da wären die Baukosten blitzartig im Keller!
Helga Langer:
Architekturschaffende sind gewohnt mit Risiko zu arbeiten, jedes Projekt ist neu, einmalig, unbekannt. Architekten berücksichtigen mit Ihrer Arbeit nicht nur eindimensionale wirtschaftliche Interessen sondern arbeiten immer schon auf der Basis eines gesamtwirtschaftlichen Wertekanons. Was können Politiker von Architekten lernen?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Herzblut und Leidenschaft ohne Rücksicht auf persönliche Verluste. Übersetzt auf die Politik bedeutet das: ...ohne Rücksicht auf den nächsten Wahltermin.
Helga Langer:
Wir suchen engagierte MitarbeiterInnen - kann man auf der Homepage von querkraft lesen - dies in Zeiten wo die Zahl der arbeitslosen Architekten weltweit alarmierend steigt, weltweit Projekte zurückgestellt oder ganz gestrichen werden. Wie handeln die „querkraft architekten" in diesem Umfeld?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Wir können unsere Stärke, nämlich das Streben nach Lebensqualität, Individualität und Menschlichkeit in der Architektur in diesem Zeitpunkt wohl am leichtesten verkaufen. In einem Moment, wo viele sich fragen: was haben wir von Wohlstand und Luxus? Worin besteht er eigentlich? Man fragt gerade jetzt nach unserer Expertise. Kleines Beispiel: in Bratislava sind wir zu einem Verfahren eingeladen, 500 intelligente, leistbare Wohnungen zu planen. Auf dem betreffenden Grundstück wurde angesichts der Krise ein Luxuswohnprojekt kurzfristig abgeblasen. Wir profitieren somit von der Krise.
Helga Langer:
Spektakuläre Projekte internationaler Architekturbüros werden gestoppt und sogar Filialen dichtgemacht- Norman Foster schließt sein Büro in Berlin. Welche Chancen sehen Sie für Ihre jungen Kollegen in Zeiten wie diesen?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Kreativität, Mut zum Experiment ist gerade in schlechten Zeiten besonders gefragt. Das ist die Chance der jungen Generation -oder sollen uns die bisherigen Wege weiterführen?
Helga Langer:
Die Ausbeutung gehört in vielen Fällen zum Selbstbild in der Architekturszene - Bauherren versuchen unbezahlte Architekturleistungen in einem Beratungsgespräch oder einem Wettbewerb zu bekommen. Wie kann Ihrer Meinung dieses Verhalten gestoppt werden?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Durch Solidarität unter den Kollegen. Alleine ist man ziemlich machtlos. Man darf einfach nicht jeden unverschämten Wettbewerb bedingungslos mitmachen. Wieder ein kleines Beispiel: wir haben heute einen prominenten eingeladenen Wettbewerb in Graz abgesagt und in offenem Brief an Jury und Auslober unsere Kritik geäußert. Andere Büros folgten in einer solidarischen Aktion unserem Beispiel. Mittlerweile wurde das Verfahren abgeblasen.
Helga Langer:
Mit dem Museum Liaunig wurde ein Kunstwerk in die Landschaft gesetzt, ein Kunstwerk für Kunstwerke geschaffen. Architekten schaffen Kunstwerke aber im Gegensatz zu den Künstlern geht es bei Architektur auch um Kosten. Wie haben Sie bei diesem Objekt den Anspruch an Kunst und Kosten vereinbart?
Architekt DI Jakob Dunkl:
Gerade die moderne Kunst zeigt uns doch, dass Herstellungskosten kein Kriterium für die Qualität eines Kunstwerks sind. Komplett reduzierte, aufs Minimum abgespeckte zeitgenössische Objekte oder Bilder können dennoch exorbitante Marktwerte aufweisen.
Wir haben mit einem besonderen Kunstgriff unser Projekt radikalisiert: lediglich 10% der Kubatur sind sichtbar. Der Rest liegt kostengünstig unter der Erde. Betriebs- und Errichtungskosten sind aufs geringst mögliche Maß reduziert.
Der sichtbare Bereich ist jedoch in Form einer eindrucksvollen 160 Meter langen Betonröhre, welche immerhin 30 Meter frei über die Bundesstrasse hinausragt, spektakulär überhöht. So entsteht eine zeichenhafte Unverwechselbarkeit, die jedoch im Inneren keinesfalls den Kunstwerken zu nahe tritt oder gar versucht, diese lautstark zu übertreffen.
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