Mit allen Sinnen leben
Den Augenblicken des Lebens Raum geben, ein Zuhause gestalten mit dem Maßstab der eigenen Erlebensmöglichkeiten und Wünsche.
Autorin Helga Langer
Ein Besucher sieht zunächst einen überraschend großen Parkplatz vor dem Haus, eine gastliche, einladende Funktion in einer Wohngegend in der Parkplätze rar sind.
Das Gebäude - soweit von der Straße aus sichtbar- signalisiert Privatheit, das eigene Leben wird nicht dem Blick des zufälligen Passanten offenbart. Eine freundliche Abgeschiedenheit strahlt der zwiebelförmige, halbrunde mit vorbewittertem Rheinzink verkleideten Baukörper des Hauses aus, dessen Dach nahtlos in die Nordfassade übergeht. Eine schlichte weiße Tür eröffnet den Zugang zum Lebensraum des Ehepaars Lipfert.
Die Kinder des Unternehmerpaares sind erwachsen und aus dem Hause, der lebhafte Kontakt zu ihnen und den Enkeln ist ein wichtiger Lebensteil. Neben der Arbeit liegt der Lebensfokus auf dem bewussten Erleben, mit allen Sinnen leben, Sportlichkeit ohne Rekordambition, Reisen und Gestalten. All dem galt es mit dem Bau dieses ungewöhnlichen Hauses Raum zu geben auf einem schmalen langen Grundstück, das sich in Ost-Westrichtung hin erstreckt und an dessen Südseite eine hohe gemauerte Schuppenwand des Nachbarn seine Schatten wirft. Erste Frage an den Freund und Architekten DI Gerhard Schmid war: „Kannst du auf diesem kleinen, schmalen Grundstück, das keine Sicht hat und sich in Ost/Westrichtung zieht, Richtung Süden durch eine alte hohe Mauer begrenzt ist, unser Traumhaus planen?“ Architekt DI Gerhard Schmid hat dieses Traumhaus verwirklicht.
Der Besucher wird durch die weiße Eingangstür hineingebeten; kein Flur, kein Entree, sondern ein lichter Innenhof empfängt ihn. Die Mauerwand des nachbarlichen Schuppens wirkt nun als bewusstes Gestaltungselement, offene Ziegel, rissiger Putz, rankende Pflanzen, Farne zeigen Lebensvielfalt. Auf einer weißen Tafel an der Wand ist ein Gedicht von J.L. Borges zu lesen, dass die Lebenseinstellung der Bauherren widerspiegelt.
Wenn
ich mein Leben noch einmal leben könnte,
im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.
Ich
würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter als ich gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde nicht so gesund leben. Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen,
Sonnenuntergänge betrachten, mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen.
Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten; freilich hatte ich auch Momente der Freude,
Aber
wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen,
nur mehr gute Augenblicke zu haben. Falls Du es noch nicht weißt,
aus diesen besteht nämlich das Leben;
Nur aus Augenblicken. Vergiss nicht den jetzigen.
Wenn
ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn an
bis in den Spätherbst barfuß gehen.
Und ich würde mehr mit Kindern spielen, wenn ich das Leben noch vor mir hätte.
Aber sehen Sie... ich bin 85 Jahre alt und weiß, dass ich bald sterben werde ….
Jorge Louis Borges, 1899 in Buenos Aires geboren, starb 1987 in Genf
Buntbemalte Kunstwerke aus Schwemmholz der Enns, fließendes Wasser, eine rostschimmernde Eisenschale in der die Hausfrau jeden Abend ein Feuer entzündet - mit viel Liebe zum Detail ist dieses Zuhause gestaltet. Freunde und auch Menschen die den Kontakt zur Familie wollen sind in diesem Haus herzlichst willkommen. Große Glasfronten eröffnen vom Empfangshof zwei große Bereiche der Gastlichkeit. In dem 42 m2 großen, bis zum Dach hin offene Raum der als Büro genutzt wird, steht im Mittelpunkt ein großer Tisch. „Wir haben regen Kontakt zu unseren 4 Kindern und 6 Enkelkindern und wenn alle hier zusammenkommen, da ist schon ein großer Tisch notwendig, sind wir jedoch alleine bevorzugen wir den kleinen Tisch im Küchen/Wohnbereich.“ sagt dazu die Hausfrau. Großzügig und gemütlich ist der große Wohnbereich, hier steht der kleine Tisch, eine bequeme Sitzgarnitur, eine der Großfamilie gerecht werdende Profiküche und der Lieblingsplatz der Hausherren: ein großes Bett an der Kachelofenwand. Das Ambiente des Raumes ist durch Vergangenheit und Modernität geprägt, praktische, zeitgemäße Technik steht im Mittelpunkt. Funktion und Organisation des Wohnbereiches eröffnen den Bewohnern Zeit und Patz für sinnlich wohnen, sinnlich leben. Eine Wellness-Oase um ein kleines Atrium schließt sich an den halböffentlichen Bereich an. Die Badewanne steht mitten im Raum, die Sauna hat eine Glasfront – in dieser Zone der Entspannung kann Wohlfühlen inmitten der Natur stattfinden Wie herrlich nach einem langen Arbeitstag in der weißen Wanne zu liegen und den Schnee in greifbarer Nähe zu haben. Der große Fitnessraum öffnet sich sowohl zum Atrium hin als auch zum Spielplatz an der Rückseite des Hauses. Vom Schlafzimmer gibt es eine Tür in den Garten, vom anschließenden Schrankraum hat man sowohl zum Bad als auch zum Wirtschaftsraum Zutritt – alle Abläufe sind ist perfekt organisiert!
Wenn man mit 50+ ein Haus baut,
so ist dieses Wohnhaus für einen neuen Lebensabschnitt gedacht, einen Lebensabschnitt in dem man mehr Freiheiten und Zeit hat, gleichzeitig sollten auch Lebenserleichterungen im höheren Alter in die Planung mit einbezogen werden. Die Familie hat einen anderen Stellenwert hat als früher, die Kinder haben ihr eigenes Zuhause, für das Treffen im Elternhaus genügt es, wenn es einen Parkplatz, einen Sitzplatz und das gewohnt gute Essen gibt. Die Enkelkinder freut es sehr, wenn Oma und Opa Zeit haben zu spielen, es noch dazu einen tollen Spielplatz gibt. Dies waren die Vorgaben für den Architekten, Barriere freies Wohnen auf einer Ebene, Platz für einen großen Tisch und auf lange Sicht gedacht, Platz für eine Einliegerwohnung mit Dusche und Toilette falls man irgendwann Pflege braucht wurde als besonders wichtig erachtet. Hausherr Gotthard Lipfert sagt dazu: “Wir haben Erfahrung, denn wir haben schon selbst in unterschiedlichen Häusern gelebt und als Sachverständiger und Unternehmer sehe ich viele Möglichkeiten des Wohnens, wir wussten was wir wollten, doch ein Architekt sieht alles als Ganzes, ein Architekt macht Wünsche zur Realität.”
Kann man Licht einfangen?
Architekt Schmid musste schon einige Tricks anwenden um auf diesem eingeengten Standort ein licht- und sonnendurchflutetes Wohnen zu gestalten. Licht kommt durch die großen Glasfronten zu den Innenhöfen in die Wohnräume, Licht wird auch durch ein Fensterband im Dachbereich von Süden eingefangen. Architekt Schmid hat einen zwiebelförmigen Baukörper geschaffen, der nach Norden hin geschlossen ist, sich dem Licht entgegen bewegt. Von dieser eigenwilligen Form musste die Bauherrin erst überzeugt werden, wollte sie doch ein traditionelles Haus mit Walmdach. Gotthard Lipfert hat für seine Frau ein Modell des geplanten Wohnhauses gebaut, sodass die außergewöhnliche Form begreifbar wurde. Diese liebevolle Geste bringt den Vergleich mit den Webervögel nahe: das Webervogelweibchen zieht erst in das Nest ein, wenn ihm das Nest gefällt. Helga Lipfert wurde überzeugt, und sie hat es geschafft, dass auch ihren anfänglich sehr skeptischen alten Nachbarn, die meisten über 80 Jahre, das Haus gut finden. Von außen gesehen ist es klein und abgeschlossen, von innen gesehen: groß und offen und es ist auf die Ansprüche nach Freiheit, Bewegung und Sinnlichkeit ausgerichtet. Neueste Technik und Organisation, sowie in der Pflege anspruchslose Materialien und kluge Anordnung der Räume schaffen Freiheit. Die unterschiedlichen Wohnzonen, der Fitnessraum und die mögliche Umgestaltung vom Büro/Familientreffpunkt zur Einliegerwohnung schafft Bewegung. Die schlichte Anmutung von außen spiegelt die Lebensweise der Bewohner wieder.
Eine traditionelle dauerhafte Hülle
Das Massivholzhaus wurde von der Firma Wolf Thal aus Laussa im Ennstal aufgestellt. Der Bauablauf war schnell, einfach und unkompliziert, so wie es sich halt jeder Bauherr wünscht. Herr Lipfert hatte für sein Eigenheim nur Firmen beschäftigt, mit denen er seit Jahrzehnten gut zusammenarbeitet. Die 400 m2 großen Dach- und Fassadenbekleidung wurde mit RHEINZINK®-„vorbewittertpro schiefergrau wurde in den Wintermonaten ausgeführt.
Die mattschimmernd glänzende schiefergraue Hülle des neuen Wohnhauses sollte an die Familientradition erinnern: der Großvater des Hausherrn war Schieferdecker in Thüringen, die Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten lockten ihn nach Österreich, 1920 legte er den Grundstein für den Dachdecker und Spenglerbetrieb Lipfert. “Rheinzink ist ein sehr handwerkliches Material. Das Spenglerhandwerk wird ja in unserer Firma praktiziert und gefördert, unsere handwerklichen Leistungen wurden schon mehrfach ausgezeichnet.” sagt Hausherr und Unternehmer Gotthard Lipfert. Im Betrieb Lipfert werden laufend Lehrlinge in Doppellehre Dachdecker und Spengler ausgebildet.– “Es ist nicht immer einfach, Lehrlinge zu bekommen, da dieser Beruf für viele als unattraktiv angesehen wird, da ein Dachdecker und Spengler häufig der Witterung ausgesetzt ist und die Arbeit auch anstrengend sein kann.” sagt Gotthard Lipfert. Zu seinem Glück ist sein Sohn Patrik begeistert von der Arbeit und Herausforderung die dieses Gewerbe mit sich bringt.
Architekt Schmid lobt das schöne Material:” Rheinzink ist ein handwerkliches Material, ein ideales Material für den Spengler. Rheinzink ist auch sehr schön wenn es altert, das stumpfe Grau gefällt. Die Ästhetik in der Alterung und die handwerkliche Bearbeitung unterscheidet Rheinzink von den vielen am Markt vorhandenen beschichteten Materialien und zeichnet es als wertvolles handwerkliches Material aus.”
Bautafel:
Bauherr und Spengler
Gotthard Lipfert, Steyr
Architekt
Architekturbüro Schmid+Leitner ZT GmbH, Steyr
Zimmerer
Wolfthal Zimmerei GmbH, Laussa
http://www.zimmerei-wolfthal.at
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