Stachelschwanzkrebse und touristischer Fortschritt
Draußen auf dem Meer ziehen Schaumkronen auf den Wellen entlang, der Wind ist frisch mit 6 Beaufort, die Kraft der Sonne wird trügerisch überdeckt. Die Sandbank zieht sich hell türkis 300 Meter vor dem Strand entlang, parallel zur Küste, mehrere Kilometer weit, über Land stehen einige Kumuluswolken unter denen sich der Mangrovenwald mit seinen Lagunen erstreckt. Auf der Sandbank stehen 10 bis 90 cm Wasser, darin lässt sich gut waten, ein kilometerlanges Kneippbad. Sandgelbe Fische wirbeln den Grund auf der Flucht auf, einige zunächst träge Rochen nehmen Geschwindigkeit auf und zeigen mit welcher Kraft sie fast aus dem Wasser springend fort kommen. Am entfernten Strand sind bald keine Menschen mehr zu sehen, Reiher, Möwen, Pelikane und Kormorane stehen im und am Wasser. Der salzige Geruch des Wasser vermischt sich mit dem brackigen Düften des Ufers, das Wasser, türkis oder dunkelgrün, zum Horizont hin blau-schwarz ist warm und dennoch frisch auf der Haut, die Sicht weit, das meiste ist Himmel, blass am Horizont und zum Zenit hin dunkler werdend.
Er hat sich auf halb auf ihren Rücken geschoben, umfängt und bedeckt ihren Unterleib, schiebt sie im Wasser mit langsamen windenden Bewegungen vor sich her. Sie schimmert hellbraun mit glänzenden ovalen Augen, die Lichtbrechungen des Wassers zeichnen giraffenartige Muster auf ihre Oberfläche, er ist kleiner, heller, fast graublau schimmernd unter Wasser. Wie bei allen Stachelschwanzkrebsen ist das Männchen kleiner und unscheinbarer, jetzt in der Brunftzeit sind sie in Strandnähe zahlreich zu sehen, auch am Strand liegen ihre Schalen.
Der Sand quillt zwischen den Zehen, die Lebensfreude des Wandernden verwandelt jede Wahrnehmung in ein einmaliges Ereignis.
Die Insel Holbox liegt am nördlichen Zipfel Yukatans, flach, sandig, zum Golf hin mit einem hellen fast weißen Sandstrand und vorgelagerten Sandriffen, zur Festlandseite hin eher schlammig mit Mangroven und unscharfen Übergängen zwischen Wasser und Land. Wie eine Nehrung schiebt sich das Land nach Südwesten vor und bildet so eine langsam wachsende Lagune. Bis vor wenigen Jahren lebten hier nur einige Fischer, dann kamen Kanadier, Amerikaner und Italiener, fanden die Ruhe, die Ursprünglichkeit des kleinen Ortes, die ungestörte Natur faszinierend und blieben dort; nur neigen diese Leute im Gegensatz zu den alteingesessenen Mexikanern dazu nach einiger Zeit den Geschäftssinn zu entdecken, erst Freunde für den Ort zu begeistern, dann werden es Gäste und schließlich sind es Touristen, die heute zwar noch einen sehr schönen Ort vorfinden aber ein Geheimtipp ist dies wahrlich nicht mehr! Caban – Anlagen, Hotels, alles im Landesstil und recht flach gebaut, Restaurants, Ausflugsboote und Touroperators erleichtern den Zugang zu den Sehenswürdigkeiten und verteuern ihn natürlich beträchtlich. Die Cabanas fangen bei 75 USD an und hören bei 250 USD auf, nur der Raum, versteht sich. Vor wenigen Jahren wurde der Ort noch als preiswerte und ursprüngliche Alternative für Individualtouristen angepriesen, eine Ankündigung, deren Erscheinen beim Lonley Planet den sicheren Tod für die hervorgehobenen Eigenschaften nach sich zieht. Dennoch hat der Ort mit seinen sandigen ungepflasterten Straßen, dem Fehlen von Autos, den eingeschossigen Häusern und geschmackvollen Unterkünften einen unbestreitbaren Charme. Wir wollen jetzt zum Ende der Reise eh nicht mehr Mühsames sondern einfach nur noch einige Tage Sonne, Meer, Ausspannen, am Strand wandern. Für Helga ist die Hängematte der Inbegriff von Seele baumeln lassen.
Abends kommen wir mit einem Fischer vom Festland aus kommend an. Eine Unterkunft zu finden erweist sich überraschender Weise als schwierig. Grund dafür ist ein verlängertes Feiertagswochenende der Mexikaner, so dass bis Montag Mittag fast alles ausgebucht ist. Und dann können wir auch nicht überall mit Visa bezahlen, kleinere Einheiten nehmen nur Bares und im Ort gibt es keinen Geldautomaten. In Erwartung wesentlich geringerer Preise haben wir auch nicht genügend Pesos gebunkert. Andererseits haben fast alle Unterkünfte WLAN.
Die erste Nacht bekommen wir eine Ferienwohnung für 1250 Pesos die Nacht, sehr geschmackvoll mit einfachen Stilmitteln und leuchtenden Farben in drei Zimmern eingerichtet. Nachts werden wir von einem Dauerdröhnen wach, die Generatorstation im Ort ist schlecht gedämmt und beschallt den Ort. Früh morgens war Helga aufgestanden und hatte bei einer Strandwanderung ein ansprechendes Quartier am anderen Ende des Ortes entdeckt, ich hatte noch geschlafen, als endlich das Zwitschern der Vögel das Generatorbrummen übertönte.
Am Vormittag wechseln wir das Quartier und ziehen in die Flamingo Villas, zwei Kilometer außerhalb des Orte nach Nordosten am Strand gelegen, ein großzügiges Zimmer im ersten Stock mit großem Balkon und Blick über das Meer, nachts hören wir nur dessen Rauschen. Bei dem Umzug bietet uns ein Trizyklet-„Taxi“ seine Dienste an, die wir gerne in Anspruch nehmen zumal Helga sich einen Gripp eingefangen hat, die Nacht noch schlechter als ich geschlafen hatte und so sind wir eher müde drauf. Doch der Sand ist weich, die Reifen des Fahrzeugs fast platt, die Rucksäcke schwer und der Fahrer kommt kräftig ins Pusten. Also schieben dann der Fahrer und ich das Gefährt mit der lachenden Helga und dem Gepäck durch den Sand bis zu unserer neuen Bleibe. Ein kleines Restaurant liegt in der Mitte der Anlage, dort herrscht ein lebhaftes aber ruhiges Treiben es duftet gut und die Gastgeber als auch die Gäste sind freundliche Menschen. Ein deutsches Ehepaar treffen wir dort , er ist Frührentner, war Pharmareferent bei Sanofi und Braun, sie leben bei Karlsruhe allerdings nur zeitweise weil sie noch als OP Schwester in Norwegen tätig ist, drei Wochen arbeiten, zwei Wochen frei. Er kann nett erzählen, hat Biologie in Bonn studiert, liest auch gerne und da er auch Segler ist haben wir einen schönen Abend gemeinsam mit Fischen und Homer. Und von ihm erfahren wir auch, dass die sich paarende Krebse Stachelschwanzkrebse genannt werden; irgendwie ist es ein gutes Gefühl wenn die Dinge einen Namen bekommen, obwohl wir deshalb über diese urzeitlichen Wesen natürlich kein bischen mehr wissen.