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Vom weißen Schnee zum weißen Sand

tulum

 

Donnerstag, den 05.02.2009

„Wenn du sooo hoch springst, höher als alle anderen, dann bekommst du den schönsten Mann im weiten Umkreis!" Die Hand schwebt einen halben Meter über dem wuscheligen Kopf, ein energischer Hüpfer, die Hand wird verfehlt, noch einmal, die Hand wandert weiter, die Schlange bewegt sich voran. Die Massai sprangen in der Gruppe, langbeinige, junge Männer. Helga in ihrer Backpacker-Kluft streckt sich und springt so hoch sie kann, die imaginären langbeinigen Neger fallen vor Erstaunen zurück. Hinter uns ein Lachen, die Ernsthaftigkeit des Initiationsrituals als Gäste des fremden Landes wird durchbrochen. Etwas Bewegung durch Hüpfen und Lachen tut gut, nach acht Stunden engem Einschluss in der Zelle des Stratosphären Knastes, die uns von Brüssel nach New York gebracht hatte. Obwohl wir nur auf der Durchreise nach Cancún sind und die USA gar nicht weiter betreten wollen, werden sehr umständlich immer die gleichen Fragen gestellt: ob wir fremdes Gepäck dabei hätten, nicht vorbestraft seien, keine Seuchen einschleppten und all diese ausgetüftelten Fragen die das Land des jesusgleichen Ostafrikaners - sein Name sei schon jetzt nur im ehrfürchtigen Flüsterton genannt! - vor all den bösen Menschen schützen, die DAS GUTE nicht wollen. Ich entsinne mich, schon vor über 35 Jahren über die gleichen Fragen, gestellt auf gleichen Fragebögen, gelacht zu haben. Das automatische Einlesen der Fingerabdrücke in die EDV dieses Landes ist dagegen keineswegs mehr komisch, dass ich, ohne deren Grenze zu überschreiten, diese Grenzüberschreitung hinnehmen muss, lässt ein ungutes Gefühl im Bauch entstehen, so als habe ich falsches gegessen, nur ein plötzlicher Rülpser schafft dieses Ereignis nicht aus der Welt.

Wir sind wieder unterwegs, Wien liegt schon einen halben Tag oder auch einige mentale Lichtstunden hinter uns. Pattex am Arsch, Blei an den Sohlen, Wien kann nichts dafür, diese wirklich schöne, dörflich mondäne Stadt! Doch in unseren Köpfen passierte es, wir werden eingeengt auf so wichtige Fragen wie Geld verdienen, Projekte zu entwickeln, ein Buch zu schreiben, das Lektorat und das Layout selber zu machen, eine Website zu gestalten, Tätigkeiten und Ziele von denen wir uns versprechen, sie seien irgendwann hilfreich, ja sogar notwendig. Doch sobald wir uns entfernen, verkleinern sich diese Anforderungen exponentiell zur Distanz. In Wien, im sogenannten wirklichen Leben, haben wir anscheinend eine selektive Lupenbrille auf, ich muss unbedingt beim nächsten Aufenthalt dort zum Mentaloptiker gehen und mir ein anderes Modell anpassen lassen. Ich reibe mir die Augen und blicke wieder etwas klarer.

Wir haben gute Sicht über Südengland und Irland, hier sehen wir weiße Schneefelder, eine Besonderheit für diese Gegend. Der Flug über den Atlantik ist eintönig, eine dichte Wolkendecke von Europa bis Neufundland, selbst diese ist fast gleichmäßig, ohne Abwechslungen durch Wolkengebirge, Unwetterfronten und Thors gleißenden Hammerschlägen. Dann über dem amerikanischen Kontinent wieder klare Sicht, siedlungsleere Weite, Seenlandschaften, atlantische Fjorde, verschneite, erstarrte, glänzende Oberflächen der zugefrorenen Gewässer, dunkle Waldgebiete, kalt und doch verlockend in einer anderen, einer warmen Zeit hierher zu kommen, hier einige Monate zu leben. Die Mühen der Pioniere die Nordwestpassage zu erkunden sind bekannt, viele mussten ihr Ziel mit dem Leben bezahlen, die Schönheit der Landschaft hatte ihren Preis.

Am JFK haben wir 4 Stunden Aufenthalt, die Skyline von NY ist im Norden zu sehen, Freunde von uns fliegen gelegentlich dorthin um zu shoppen, sie finden das toll und freuen sich immer auf diese Stadt, die in ihren Augen faszinierend und aufregend ist. Mit der Abenddämmerung folgt dann der Flug über die Westküste und die nächtliche Karibik nach Cancún. Dunkelheit und Müdigkeit lassen Helga schlafen, ich lese noch in einem Roman, der sich mit der Nordwestpassage befasst.

Das Ausklarieren in Cancún geht einfach, nach der Passkontrolle muss jeder Einreisende auf den roten Knopf eines Zufallsgenerators drücken, der darüber entscheidet wessen Gepäck genau untersucht werden soll, recht pfiffig, so kann kein Gast dem diensthabenden Beamten persönlich gram sein. Die junge Frau, die diese Prozedur überwacht hat ein Lachen im Gesicht, sie ist freundlich in einer Weise, die ich als persönlich empfinde, diese Methode der Kontrolle wirkt auch auf das Personal entspannend und gut.

Einen Transport nach Puerto Morelos hatte Helga per email gebucht, aber keiner holt uns ab. Busse fahren alle halbe Stunde, bequem und fix direkt vom Flughafen nach Süden. In Puerto Morelos wollen wir zum Hotel laufen, die Vorstellungen wo es denn sei sind vage und so verlaufen wir uns prompt. Ein Taxi bringt uns dann zur richtigen Stelle. Die kleine Anlage Amar Inn ist direkt in den weißen Sand gebaut, unser Zimmer mit Terrasse und Balkon liegt im ersten Stock. Die Kosten von 90 $ /Tag für zwei Personen mit reichhaltigem Frühstück sind für mexikanische Verhältnisse recht hoch, aber nach dieser langen Reise genießen wir den traumhaft schönen Startpunkt und etwas Ruhe. Einen Schlummertrunk gibt es im Amar Inn nicht, doch Miguel, der Sohn der Besitzerin, fährt uns noch zu einem Laden der vier Kilometer entfernt ist. In einem Stadtteil der ärmeren Einheimischen gibt es in einem Supermarkt der Extra-Kette Bier und Rum zu kaufen. Eine Ausnahme, denn nach 22:00 Uhr und am Sonntag darf in den mexikanischen Geschäften und Supermärkten normalerweise kein Alkohol verkauft werden. Sehr löblich dieser Kampf gegen den Suchtfeind, wenn da nicht der Verdacht aufkäme, dass diese Maßnahme nur dem Umsatz der Lokale dienen sollte. Eine Stunde noch blicken wir vom Balkon aus über das Meer, das wir in der dunklen Nacht weniger sehen, aber riechen und hören. Die Brandung und die Wellen am vorgelagerten Riff geben ein Konzert, Rum mit Coca wärmt uns, der Tag findet seinen ruhigen Abschluss. Nachts stürmt es, dichte Wolkendecken fegen über den Himmel, die Balkontür springt auf, der Wind saust durch das Zimmer, wirbelt loses Papier und Klamotten durcheinander. Ein Hoch auf das Gerbermesser, das eine Reparatur des Verschlusses ermöglicht!

Freitag, den 06.02.2009

Aufwachen mit der Dämmerung, wieder einschlafen, es ist kalt. Im Innenhof der Anlage ist es windgeschützt, hier gibt es Frühstück bis 11:00 Uhr und bei Bedarf auch länger. Tortillas, Toast, Kaffee und Saft, dazu die Bekanntschaft mit einem Paar aus British Columbia, sie machen drei Wochen Urlaub und sind mit einem Leihwagen auf der Halbinsel Yucatán unterwegs. Wie wir hoffen sie auf warmes Wetter, wir lachen viel zusammen, zum Beispiel über eine Zeitungsüberschrift die verkündet: „Russia helps US with Afghanistan" - so selbstlos haben wir den Putin gar nicht eingeschätzt.

Noch ist das Wetter stürmisch, wolkig, gelegentlich auch etwas nass von oben. Eine längere liebevolle Siesta folgt. Vom Bett aus können wir dann die Boote und Yachten mit dem Fernglas verfolgen, die zwischen dem langen vorgelagerten Riff und dem Strand herumfahren. Hinter dem Riff auf dem Meer erscheinen zwei große Kreuzfahrtschiffe, die Horizontlinie ist durch die hohen Wellenkämme gezackt, draußen müssen etwa 8 Beauforts blasen. Nachmittags klart es auf, der hellgelbe, feine Sand des Strandes erscheint gleißend weiß, die Farbe des Wassers ist türkis bis dunkelschwarz - Karibikfeeling! 300 Meter vor dem Strand fängt das Riff an, das sich von der Spitze von Yukatan bis weit nach Belize hinein erstreckt, den Strand und die Küste schützt und immer noch weiter wächst. Das Wasser zwischen dem Riff und dem Strand ist fast wie ein Binnengewässer zu befahren. Hier haben früher die Mayas den Küstenhandel abgewickelt. Diese geschützte Art Seefahrt zu betreiben hat auch dazu geführt, dass die Mayas keine hochseetaugliche Flotte aufbauten.

Wir raffen uns zu einer Strandwanderung auf. Der Sand ist sehr fest, der Strand sauber, er wird jeden Morgen von Tang gereinigt. Die gesamte Küste von Puerto Morelos ist locker mit Resorts, Hotels, Tauchschulen und Apartmentanlagen bebaut, Häuser sind zu verkaufen. Eine große Villa imponiert durch eine Dachkuppel, die dem Petersdom nachempfunden wurde, davor neben den übergroßen Pool steht ein Gartenpavillon, der in Form einer Maya Pyramide errichtet wurde. Alles gut einsehbar, sonst wäre dieser architektonische Exhibitionismus sinnlos. Der Bau erinnert mich an eine Transe, die ich vor 20 Jahren auf Gran Canaria am Strand von Maspalomas sah. Mit sternförmigen silbernen Einfassungen der Brustwarzen, reichlich geschmückten Hoden lag er mit einem konzentriert verträumten Ausdruck im Gesicht direkt am Wasser wo alle Welt entlang wanderte und präsentierte dort durch gymnastischen Übungen alle seine Reize bis in die letzten Falten seines gar nicht mehr so jungen Körpers. Allerdings ist er mir bei näherer Betrachtung deutlich lieber, denn er präsentierte sich persönlich, der Bauherr lässt sich repräsentieren - also wenn da etwas obszön ist, dann meiner Meinung nach doch eher der letztere.

Begeistert beobachten wir das Strandleben. Pelikane segeln durch die Luft, stoßen heftig auf das Wasser, tauchen auf der Jagd nach Fischen unter, Möwen werden von Kindern im Flug gefüttert, Leguane schreiten wichtig über Mauern und Strand. Zahlreiche Restaurants laden ein und wir sind hungrig. Von der Terrasse des Pelikan-Restaurants ist ein Bootssteg zu sehen, auf den Booten hocken die Vögel, sie haben ihre Stammplätze. Pfosten zum Anlegen sind in den Boden gerammt, auf jedem residiert ein Pelikan. Die Boote sind um die 5 - 6 Meter lang, mit Außenborder ausgerüstet und meist offen mit Bimini, sie sind von der Ausstattung mehrheitlich für Ausflugs- und Schnorcheltouren gedacht, denn für die Fischerei. Die Schiffe die an Mooringen liegen haben eine eingegrabene Landfeste, sodass sie mit dem Heck im Seichten liegen, der Tidenhub scheint hier nicht mehr als einen Meter zu betragen. Das Essen ist frisch, gut und reichlich. Wir genießen einen Shrimps Cocktail und einen gegrillten Fisch nach Maya Art, der fangfrischer Fisch wurde durch Gewürze, Orangen und Chili zum exotisches Geschmackserlebnis. Freude macht es auch die Menschen die am Strand vorbeiwandern aufs Korn zu nehmen. Woher kommen sie? Wir nehmen an, die schlanken sind entweder Kinder oder Europäer, die Kugelmenschen sind meist Mexikaner und die Amis sind meist auch kugelig oder besonders sportlich.

Mit dem Sonnenuntergang brist es weiter auf, es wird wieder kühler, wir wandern zurück in unser gemütliches Quartier, heute Abend will unser Freund Roland nach seiner Arbeit an der Universität noch mit dem Bus aus José Maria Morelos kommen. Es wir spät, Roland taucht nicht auf, wir sind müde und gehen zu Bett. Um Mitternacht klopft es, und Roland kommt, begleitet von Rudi dem Faktotum der Anlage. Schnell wird noch ein weiteres Bett gebracht, aufgestellt und eingedeckt. Helga ist wieder putzmunter, Bier haben wir auch noch und so geht es bis in die frühen Morgenstunden für die beiden, ich klinke mich bald aus, bin müde und penne weg.

Samstag, den 07.02.2009

Der Sonnenaufgang scheint uns direkt ins Zimmer, ich sehe ihn, finde ihn schön, drehe mich um und schlafe weiter. Roland pennt auch noch. Helga steht auf, sie macht einen langen Sparziergang und fotografiert. In der Morgensonne ist das Hotel besonders schön beleuchtet. Schade nur, dass unser Zimmer für die weiteren Tage ausgebucht ist, wir wären gerne noch einen Tag geblieben, so müssen wir gegen Mittag los.

Wir entschließen uns mit dem Bus nach Tulúm zu fahren. Tulúm liegt etwas 120 Km weiter südlich, ist bekannt für sehr schöne Strände und ist eine der wenigen Mayastätten direkt an der Küste. Die Busfahrt ist sehr billig und es geht zügig voran, auf halber Strecke im sehr lebhaften Touristenzentrum in Playa del Carmen müssen wir umsteigen. Der Autobus ist neu und bequem, die meisten Fahrgäste dösen und halten die Vorhänge geschlossen, unangenehm empfinden wir die laute Videounterhaltung und auch Kälte, verursacht durch die Klimaanlage die auf Hochtouren läuft. Wir haben es gewusst und ziehen unsere warmen Fliespullover an. Früher, erzählt Roland habe Mexiko ein dichtes Netz von Eisenbahnlinien besessen, dass jedoch amerikanische Erdölgesellschaften im letzten Jahrhundert aufgekauft und sukzessive stilllegten hatten, um den Straßenverkehr und mithin den Treibstoffumsatz zu fördern, was ihnen auch gelungen ist, eine Bahnreise durch Yucatán ist nicht mehr möglich. Haupttransportmittel sind hier die Autobusse die flächendeckend bis in die letzten Winkel des Landes fahren. Die Busbahnhöfe sind gut ausgebaut und auf den Hauptstrecken fahren die Busse in schneller Folge. Von der Bushaltestelle in Tulúm bis zum Strand sind es noch 5 KM, ein preiswertes Taxi bringt uns dorthin. Die Strandcabans südlich der Tulúm Ruinen sind bezüglich Preise und Niveau sehr unterschiedlich, es ist hier auch möglich zu campen. Für umgerechnet 25€ pro Nacht mieten wir eine Strandhütte, einen Pfahlbau mit Bretterboden und Wänden deren senkrechte Rundhölzer innen mit Zement ausgestrichen wurden, ein Bett, ein kleiner Tisch, zwei Schemel, das war's - kein Strom; die Toiletten sind beim Restaurant des Camps, etwas ekelig schmuddelig. Der Strand ist wunderschön und weitläufig, der Sand ist weiß und fein - wie Puderzucker. Die Gäste unserer Anlage sind meist jüngere Leute aus Kanada, Europa und Südamerika, die US Amerikaner, so sagt man uns, seien bei den komfortableren teureren Anlagen weiter im Süden zu finden. Nach dem Abendessen setzen wir uns an den Strand in den Windschatten eines Bootes. Roland hat seine Gitarre mitgebracht, er spielt einige Stücke aus seinem Repertoire, auch ich habe noch etwas in Erinnerung und wir singen gemeinsam. Helga singt auch und sogar mit klarer Stimme, sonst behauptet sie immer sie könne nicht singen, mit Tequila-Sunrise geht es eben doch - der Beweis ist erbracht, ihre Behauptung ist falsch. Wir sitzen zu dicht am Wasser, eine Flutwelle kommt und wir müssen weichen, auf der Düne geht es dann weiter.

Sonntag, den 08.02.2009

Wir sind früh wach, das Camp schläft noch - Stille, nur das Rauschen der Brandung -herrlich, wir sind in der Karibik, deren Duft vom Wind in unsere Hütte getragen wird. Statt zu frühstücken beschäftigen wir uns ausgiebig miteinander, ein Strandgang schließt sich an. Im Norden finden wir einen fast einsamen Platz an dem wir uns in die morgendliche Sonne legen, vor uns das Meer, hinter uns Felsen, Büsche und die kleinen Palmen. Mit den Blätter dieser „Sabal yapa" Palme werden hier traditionell die Hütten gedeckt. Etwas weiter im Norden steht auf einem Küstenvorsprung der kantige Turm eines alten Maya Tempels, der als Heiligtum und Leuchtfeuer für den darunter liegenden Hafen diente. Die übrige Anlage ist von hier aus nicht zu sehen. Es wird wärmer, wir gehen ins Wasser, spielen in der Brandung, lassen uns von den Wellen an das Ufer tragen, so paradiesisch wie es hier ist, können wir uns auch bewegen - einfach wonniglich. Gegen Mittag wandern wir wieder zurück. Am Ufer befindet sich eine große Ferienanlage die offensichtlich nicht mehr in Betrieb ist, obwohl sie auf einer Anhöhe steht und einen wunderschönen Blick über das Meer bietet. Es ist Hochsaison und gemessen an der vorhandenen Infrastruktur in dieser Gegend erscheint uns die Besucherzahl sehr gering - mag sein, dass die Finanzkrise auch hier schon Spuren hinterlässt.Im Camp kommt Roland gerade verschlafen aus seiner Hütte, er geht schwimmen. Wir lassen uns das Frühstück schmecken: Nescafé und „huevos rancheros" - Spiegeleier mit Paradeiser, Bohnenmus und Tortillas. Schade, dass hier im Land der Kaffeebauern, wo der Kaffee nach dem Erdöl der wichtigste Exportrohstoff ist, fast ausschließlich Nescafé angeboten wird.

Die Tempelstadt von Tulúm ist die erste Mayastätte die Helga und ich sehen. Das ummauerte Areal ist ca. 1300 x 700 Meter groß und direkt an der Küste gelegen, in seiner Mitte sind die Überreste eines verlandeten antiken Hafens, sowie einige gut erhaltene steinerne Gebäude, Tempel und Altäre. Von vielen Gebäuden sind nur noch die Fundamente erhalten, die noch erkennbaren Halbreliefs sind in einem schlechten Zustand und verwittert. Neu ist für mich, dass diese Gebäude alle sehr farbig angemalt waren, Rot und Blau sollen dominiert haben. Ein Tempel ist zeichnerisch rekonstruiert worden, allerding unter Auslassung aller Fresken. Die Bewohner dieses Areals waren Priester, Baumeister, Handelsherren und Künstler, das einfache Volk hatte hier keinen Zutritt. Nur innerhalb dieser Kaste wurden Qualifikationen und Wissen weitergegeben, sodass ausschließlich eine sehr dünne Oberschicht über Herrschaftswissen verfügte; für die Spanier eine recht kommode Situation, da sie nur diese Oberschicht eliminieren mussten, um das Volk führerlos und unwissend zu machen. Noch vor 600 Jahren war diese Mayastätte bewohnt. Tulúm war ein wichtiger Hafen, allerdings nicht für Überseeschiffe, die den Mayas unbekannt waren, sondern für die geruderten Handelsschiffe, die im Schutz des zweitgrößten Riffes der Welt ihren Seehandel betrieben. Dieser Schifffahrtsweg stellte eine wichtige Ergänzung zu den Überlandstraßen dar, die die Mayas auf erhöhten Dämmen mit Wällen gegen die Überwucherung durch den Urwald an Land angelegt hatten. Die Bautechnik unterscheidet sich nur wenig von römischen Bauten: sauber zusammengefügte große Eckquader, solide Fensterstürze, Wände aus kleineren, deutlich gröber behauenen Steinen die mit Mörtel verbunden sind, Säulen aus einfachen Steinscheiben, die holländischen Käselaiben ähnlich sind. Die Anlage ist sensationell auf dem Felsen gelegen mit weiter Sicht über das Meer, das Riff und das Hinterland. In der Anlage treiben sich außer den Touristen auch satte Leguane rum, die sich bereitwillig fotografieren lassen.

Nach der Besichtigung mieten wir uns bei Avis in Tulúm für eine Woche einen Dogde und wir fahren über Felipe Carrillo Puerto in das Landesinnere nach José Maria Morelos, wo Roland wohnt und arbeitet. José Maria Morelos, ist eine Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern im Bundesstaat Quintana Roo. José Maria Morelos ist auf vielen Landkarten und in Reiseführern nicht zu finden, obwohl diese Stadt Zentrum der lebenden Mayakultur ist und auch durch die einzigartige interkulturelle Maya-Universität UIMQROO durchaus bemerkenswert und bedeutungsvoll ist. Unsere Fahrt ist relativ eintönig, ein Asphaltkorridor zieht sich durch ein mittelhohes Buschland und Dschungelgebiet. Es ist wenig Verkehr, die Abenddämmerung wechselt schnell zur dunklen Nacht, die. Landschaft ist fast nicht erkennbar, wir fahren durch wenige kleine Ortschaften, die nicht in unserer Landkarte verzeichnet sind. Es geht fast immer gerade aus, vor den wenigen Kurven warnen Verkehrsschilder. Roland erzählt von einer stolzen Führerscheinbesitzerin, die nicht von José Maria Morelos nach Felipe Carrillo Puerto fährt, da auf dieser Strecke einige „gefährliche" Kurven sind. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der gut ausgebauten Straße ist 100 Km/h, Kontrollen dafür gibt es kaum. Es gibt jedoch auf Mexikos Straßen viele Straßenschwellen, vor allem am Ortsanfang aber auch vor vielen Häusern, die die Autofahrer zwingen langsamer zu fahren. Diese aus Beton oder Bitumen hergestellten Topes, müssen von den Fahrzeugen sehr vorsichtig angefahren werden, ansonsten sind Stoßdämpfer und Achsen bald kaputt - eine wesentlich wirksamere Art der Geschwindigkeitsbegrenzung als alle Verkehrszeichen zusammen.

Roland hat im ersten Hotel der Stadt, im Hotel Maya Sol, für uns ein Zimmer reserviert. Das Hotel Maya Sol liegt gegenüber dem zentralen Platz mitten im Städtchen José Maria Morelos und fällt durch seine leuchtend gelbe Farbe und durch die Höhe auf, denn Häuser mit mehr als einem Geschoss gibt es fast keine in dieser Kleinstadt. Die Ausstattung unseres Zimmers ist schlicht, ein gefliester Boden, Neonbeleuchtung und zwei große Betten, wir haben auch eine Dusche mit Warmwasser und WC, alles ist sehr sauber und wir zahlen dafür pro Nacht nur 300 Pesos.

Am Ortsausgang gibt es bei der Busstation das Restaurant KM 50, dort essen wir zu Abend. Alle Überlandbusse machen hier Rast, so ist José Maria Morelos bei den einheimischen Reisenden mit der Bezeichnung KM 50 bekannter als unter seinem eigentlichen Namen. Wir bestellen als Vorspeise Guacamole mit Tortillachips. Guacamole bereiten wir auch gerne zu Hause zu: wir zerdrücken reife Avocados und rühren in diese Avocadocreme Limettensaft, gehackte Paradeiser, Salz, und Chili, manchmal würzen wir noch mit Knoblauch, Zwiebel oder Petersilie. Als Hauptspeise wählen wir unterschiedliche Tacos, die mit Huhn, Rindfleisch und Truthahn Geschnetzeltem gefüllt sind, als Beilage gibt es Frijoles Refritos, gebratenes Bohnenmus. Unverzichtbare Ergänzung zu jeder Speise in Mexiko sind die unterschiedlichen Salsas. Die dafür verwendeten Chilisorten machen diese Soßen oft höllisch scharf, daher ist beim Würzen Vorsicht geboten. Zu jedem Gericht, auch zum Frühstück, kommt ein Behälter mit frischen warmen Tortillas auf den Tisch. Wir wollen Bier zum Essen, dies ist der Grund warum wir bei KM 50 essen und nicht bei einer der vielen Garküchen im Ort. Bei den Garküchen kann man gut und billig essen, sie haben auch solange offen, bis das frisch Gekochte verkauft ist, diesen kleinen Einfrau- oder Einmann-Betrieben ist es verboten Alkohol anzubieten. Es ist Sonntag und die Geschäfte haben geöffnet, doch Alkohol bekommt man nur im Restaurant. Wir trinken ein helles leichtes Bier der Marke Sol. Sol gehört zu den beliebtesten Biermarken im Lande,  meist hat man keine andere Wahl als Sol, dieses Bier wird von der größten Getränkefima Mexikos, von der FEMSA hergestellt. Bier ist eines der populärsten Getränke in Mexiko, angeblich trinken die Mexikaner 51 Liter Bier pro Kopf. Intersant ist auch das mexikanische Reinigungsritual der Bierflaschen vor dem Trinken. Es ist hier üblich aus der Flasche zu trinken und davor den Flaschenhals gründlich mit einer Papierserviette abzuwischen, die Limettenscheibe wird zum Reinigen des Flaschenhalses benutzt und nicht wie in Europa zur Geschmacksverbesserung. Uns schmeckt das mexikanische Bier sehr gut und wir freuen uns immer, wenn wir unsere Lieblingsmarke das dunkle Bier „Negra Modelo" auf der Speisekarte finden.

Salud! Otra cerveza, por favor!


porto morelos