Göttliches und irdisches
Therapie
Wir waren zu Besuch im Paradies! Ein Wassserfall im Wald von Samothraki, am Hang eines Berges Fengari, der steil aus Meer sich erhebend mehr als 1600 Meter hoch aufragt. Eine grüne Insel mit Wäldern, Weingärten, duftend nach Feigen und Thymian. Mit Stränden voller runder Kiesel, die warm auf die Haut gepackt eine Zestolith-Therapie mit Tiefenwirkung ergeben, das hat jedenfalls Helga behauptet. Der humanistisch gebildete Mensch weiß natürlich, dass zesto heiß und Lithos Stein bedeutet und schwupp ist eine neue Therapieform geboren die nach Vermarktung schreit! Zumal eine intermittierende Thalasso-Massage durch Wave -splashing den heilsamen Effekt physiologisch und spirituell potenziert. Außer solchen beruflichen, sehr anstrengenden Entwicklungsarbeiten müssen wir natürlich auch noch weiter vorankommen, wenn schon nicht beruflich dann doch zumindest auf See und es ist wirklich harrrrrte Arbeit dem Parasail bei der Arbeit zuzuschauen, die Landschaften vorbei ziehen zu lassen. An einigen Tagen sind wir Nächtens aufgestanden, so gegen 02:00 um längere Distanzen zu segeln und den Sonnenaufgang auf dem Meer zu erleben. So kommen wir dann auf 60 Meilen an einem Tag, beim Ankommen ist es noch später Nachmittag und am Ziel finden wir die Zeit zu einer Siesta und einen ersten orientierenden Landgang. Zuvor rasante Fahrt mit viel Wind, das Seitendeck fast ständig im Wasser, dazu Sonne auf der Haut, heiß und nur durch den Wind auf Wohlfühltemperatur herunter gekühlt, das Teakdeck zu heiß um darauf barfuß zu laufen!
Die Antike verfolgt uns natürlich hier auf fast jeder Insel, auf Samothraki gibt es ein ausgedehntes Heiligtum für mehrere Götter, wunderschön gelegen auf einer Anhöhe dicht am Ufer und am Hang des Berges Fengari. Dort wurde die berühmte Skulptur „ Nike" gefunden, sie ist im Louvre zu besichtigen; Helga hat versucht sie zu ersetzen. Doch dann kamen andere Besucher und die Suche nach der idealen Pose hatte ein Ende. Das ist doch eine lebendige Auseinandersetzung mit der Historie, nur alte Steine zu besichtigen wäre fad!
Den Mücken sei ein Dankeslied gesungen! Ihren summender Weckgesang kündigten sie mit zarten Stichen in empfindlich dünne Hautgebiete an, und statt zu kratzen oder zu applaudieren legten wir um 02:00 morgens ab. Wieder ein phantastischer Sonnenaufgang, umspielt von Delphinen gleitet die Twiga mit leichtem Wind dahin. Und in der Ferne gewinnt mit Einsetzen der Dämmerung die Insel Samothraki umringt von einem dunstigen Nebelring Konturen, die unscharf bleiben. Wir entfernen uns, Thassos ist das Ziel, eine fast runde, gebirgige Insel, für Segler am Ende der Segelwelt gelegen, sie ist die nördlichste der ägäischen Inselwelt. Keine Charteryachten verirren sich hierher und auch unter den Fahrtenseglern ist sie eher unbekannt, ja fast schon exotisch!
Prognose
Um dieses Ziel zu erreichen hatten wir die Wettervorhersage gehört und mit Dieter, auch ein Segler mit Textilintoleranz, erörtert. Wetter sollte man hier nur mit Menschen diskutieren, deren Gesellschaft angenehm ist, so ist es wenigstens unterhaltsam, denn der Wahrheitsgehalt der hiesigen Wetterprognosen tendiert gegen rein zufällig. Berge mit ihrer Thermik und den Fallwinden, Meerengen die blockieren oder wie Düsen wirken, Land -und Seewinde sind bis zu 20 Meilen weit draußen wirksam und fast keine Stelle in diesem Seegebiet bleibt so von den Unwägsamkeiten dieses multifaktoriellen Geschehens verschont - Oh Poseidon, verzeih dem heutigen Respektlosen, der Deine Launen, Wünsche, Bedürfnisse, Deinen Zorn und Dein Wohlwollen so liederlich missachtet hat! Wenn wir IHN, den vielallgewaltigen Herrscher des Meeres Beachtung zollen, wird die Wettervorhersage wahrscheinlich in diesen Gewässern wieder präziser, göttlicher! Poseidon war uns jedoch nicht gram, er versuchte uns entgegen jeder wissenschaftlich fundierten Vorhersage durch viermal wechselnde Winde, jedes Mal aus der erwünschten Richtung auf sein göttliches Wirken hinzuweisen, Poseidon als Missionar, hat man so was schon mal gehört? Aber vielleicht haben die Olympier die Schnauze voll vom Abseits, und die Weltwirtschaftskrise könnte ja den Wiedereinstieg in den Alltag der Sterblichen erleichtern. Als Substitut für die Wallstreetgötter, Dieter Bohlen, Angela Merkel und dem der Apotheose nahe stehend Barak O. wären sie doch ganz passabel. Auch die Regierungssitze sind- zumindest als Immobilien- immer noch vorhanden, hingebungsvoll gepflegt und nachts pietätvoll mit Natriumdampflampen bestrahlt. Und wenn erst wieder in den Aphroditetempeln die Priesterinnen die Pilger durch ekstatische Freuden Teil haben lassen an der transzendentalen Entrückungen, in denen jede Bewegung nur noch reines Glück ist. Wer sollte, wer wollte dann noch zweifeln wollen an Macht dieser Götter, den Menschlichsten aller Götter, die jemals zwischen Himmel, Erde und Unterwelt den Menschen Hilfe, Orientierung, Last, Verhängnis und Lust waren.
Thassos
Nun, dank Poseidons Wunsch uns zu helfen, erreichten wir in angenehmster Weise segelnd, liebend, dösend und genießend Thassos, nicht nur eine Insel, nein! Ein riesiger Marmorblock, der hier der See entwächst, dessen helles geädertes oder auch nur blendend weißes Gestein nicht nur dingliche Substanz vieltausendjähriger Götterbilder ist, sondern auch das Straßenpflaster der Orte dieser Insel bildet. Zwischen den Felsen der Küste gibt es zahlreiche kleine Strände, weiß ist der feine Sand, Marmormehl mehr denn Kies. Und so exotisch diese Insel für den Segler ist so alltäglich ist sie für die Individualtouristen aus Osteuropa und Griechenland, schließlich liegt sie nur 8 KM von der Festlandküste entfernt. Jede kleine Bucht ist mit Liegen und Sonnenschirmen ausgestattet, die einsamen oder zumindest naturbelassenen Buchten sind Historie. Doch da der Massentourismus fehlt hat die Insel ihren Charme, das Innenland noch eine unerschlossene Weite, die nur dem Wanderer zugänglich ist; wir sind hier jedoch mit einem kräftigen Motorroller unterwegs. Wein soll es hier geben, den berühmten Wein aus Thassos, doch an den Küsten, an den Straßen zu den Bergdörfern sehen wir Olivenhaine, Steineichen, Maulbeerbäume, Walnussbäume, aber keine Weigärten, außer - natürlich- in Form der Weinlauben über den Tavernen, in denen man nur lange genug verweilen müsste bis die süße Frucht in den offenen Mund fiele.
Athos
Von der Südwestspitze aus sehen wir hinüber nach Athos, diesem Staat in Staate Griechenland, der seine Geheimnisse so eifersüchtig hütet, dass sogar das nächtliche Ankern um Schutz zu suchen mit Hilfe schneller Polizeiboote unterbunden wird, ein Verhalten dass ansonsten nur von Drogenbaronen, nicht mehr existenten paranoiden real existierenden Sozialisten und Unkraut fürchtenden Kleingartenvorstandsmitgliedern praktiziert wird. An welchen Orten und Menschen diese Mönche ihre christlich gebotene Nächstenliebe praktizieren soll offensichtlich deren Geheimnis bleiben. Demnächst werden wir ihre Küste dicht passieren; auf 500 Meter darf der Segler heran und vielleicht sehen wir mit Hilfe eines Zeisses dann ja die so verräterischen Hinweise, wie kleine Kinder, und Frauenunterwäsche auf der Leine, wie dieses von Seglern kolportiert wird, wobei diese phantasielosen Gesellen den Mönchen weder Unterwäschefetischismus noch die göttliche Gabe der unbefleckten Empfängnis sowie das Wunder des andronatalen Welteneintrittes zubilligen. Da wollten wir den Mönchen auf die Wäscheleine schauen und was passiert??? Ein neuerer Gott, zu dem die bärtigen Herrschaften im Dunste des Weihrauches beten, intervenierte! Um 02:00 waren wir ausgelaufen bei Flaute unter Maschine, mit der Dämmerung kam auch der hohe Berg Athos in Sicht noch 30 Meilen entfernt und über 2000 Meter hoch. Und so gegen High Noon, noch 10 Meilen weg vom Kap verreckt uns die Maschine. Da hat irgendein orthodoxer Schutzengel mit seinem Schwert mal nicht das Paradies bewacht sondern einen Riss in unsere Dieselhochdruckleitung geschlagen!
Flautensegeln
Als Strafverschärfung gibt es gaaanz wenig Wind. Auf Chalkidike gibt es keine Reparaturinfrastrukturen, Häfen die man auch nachts unter Segeln anlaufen kann schon gar nicht. Also wieder retour nach Thassos bei fast Flaute! Wir setzen das Parasail. es hängt wie ein nasser Sack, nur gelegentlich hingehauchte Atembewegungen des Äolus bringen uns mit durchschnittlich 1-2 Knoten Speed durch das ölig glatte Wasser. Dafür entschädigt uns Poseidon mit Delphinbesuchen und Sonnenstunden an Deck, wo die gelegentliche Brise noch für Abkühlung sorgt. Die Nacht wird lang, erst am nächsten Morgen gegen 10:00h sind wir wieder im Hafen; natürlich recht geschafft, denn die Nacht zuvor hatten wir mit anderen Seglern noch in die Nacht hinein gefeiert, also kein Schlaf für zwei Nächte.
Und dann ist der Rückkunfttag auch noch Helgas Geburtstag. So gut wie verschlafen!
Glückliches Ende
Aber heute ist wieder Erfolg auf der Tafel: Ausbau von Lichtmaschine, Ölfilter und Auspuff, damit die defekte Leitung überhaupt erreichbar wird. Heiß ist es und der Motorraum ist so eng, dass ich mir in solchen Augenblicken wünsche ein zartwüchsiger Zwerg mit Asbesthaut zu sein. Mit der Leitung in der Hand und einer Bekleidung am Körper, die nach drei Stunden salzig nass ist folgte dann eine Schnitzeljagt nach einer Werkstatt, die so etwas neu herstellen oder wenigstens schweißen kann. Freundliche Menschen - diese Griechen! Alle geben Auskunft und sind bemüht, nur dass es leider keiner über das Herz bringt „ich weiß das nicht!" zu sagen! So geht es kreuz und quer durch die Stadt, schließlich muss ich mich sputen denn von 15:00 bis 18:00 dauert die heilige Siesta, während dessen ist wirklich niemand erreichbar. Doch alles wird gut, die vierte Adresse ist ein Treffer nachdem drei andere mich auf das Festland in eine 20 Km entfernte Stadt schicken wollten. Ein Motorradvermieter schweißt den Defekt dicht, das kostet 5 Euro und zwei Stunden später pöttert der Diesel wieder, die Lichtmaschine liefert Strom, der Kühlschrank sorgt inzwischen für unseren kühlen Sundowner und der Herd, der eine elektrische Zündung hat kann auch wieder benutzt werden. Ein leckeres Lammkarree erstanden wir vorgestern und Helga hat es gleich gestern wieder zum Schlachter gebracht damit der es kühlt bis wir wieder brutzeln können. Die leckere Flasche Rotwein , ein besonders guter für den Geburtstag, steht auch demnächst bereit und morgen früh werden wir erst spät auslaufen, d.h. so gegen 04:00, die Wettervorhersage zeigt so wenig Lustdruckunterschiede, dass wahrscheinlich kein Wind sein wird, also wieder motoren.