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Individualisten im Paradies von Dionysos

Ikaria

 

Die nördlichen Dodekanes Inseln Leros - Archangelos -Maratho -Arki

Nur wenige Meilen haben wir uns vorgenommen: nach Norden, nördlich von Leros liegt eine kleine Insel, Archangelos, an deren Südseite ein geschützter Ankerplatz liegt. Erst um 11:00 laufen wir aus, nach einem geruhsamen Frühstück bei dem wir das Familienleben einer griechischen Familie betrachten, die am Strand campen: Erwachsenzelt, Kinderzelt, Esspavillon, Küchenzelt - ein kleines Familiendorf am Wasser. Wir legen von der Mooring ab, wären  auch gerne noch geblieben; in diesem Sommer sind wir langsam unterwegs, verweilen ist häufig wichtiger als weiter zu reisen. Ein leichter Südwesten Wind schiebt uns an Leros vorbei, den tief eingeschnittenen Ormos Lakki besichtigen wir vom Schiff aus. Das Städtchen macht einen netten aber nicht sonderlich interessanten Eindruck, die Marina liegt außerhalb, die kastenartigen 4 stöckigen Gebäude der früheren Irrenanstalten am Südufer stehen leer, sind verfallen. Wir wollen weiter. Der Wind steht direkt in die Bucht rein, brist auf und das Aufkreuzen hinaus wird zu einem Jollensegeln ähnlichem Ereignis. Dann, wieder auf Nordkurs, ist wieder geruhsames Segeln angesagt, wir können uns in der Plicht ausstrecken und den Autopiloten die Arbeit machen lassen, die Landschaft mit ihren kargen und farbig changierenden Felsen an uns vorüberziehen lassen. Der Ankerplatz ist tatsächlich sehr geschützt, rund herum Inseln und Buchten, der Sandgrund hält auch gut. Drei andere Yachten liegen schon dort, Deutsche mit einer Amel Maramu, ein Franzose auf einer First und ein Holländer. Wir faulenzen in der Plicht, schnorcheln und schwimmen etwas, Helga liest mit Genuss:„Es muss nicht immer Kaviar sein" von Simmel und lässt sich dabei die Rezepte des Thomas Lieven auf der Zunge zergehen. Leider vergessen wir immer wieder unsere Twigarezepte aufzuschreiben, sie entstehen immer aus dem was gerade vorhanden ist, meist gelingt es vorzüglich. Diese sinnlichen Genüsse auch sinnlich zu beschreiben müssen wir noch üben!

Der nächste Morgen geht ohne Eile. Wir motoren bei völliger Flaute nach Maratho einer kleine Ankerbucht und Insel westlich vor Arki; drei Restaurants bieten sich in der Bucht an, eine kleine Kirche mit den zerfallenen Häusern eines verlassenen Dorfes liegen auf dem Kamm des dahinter liegenden Hügels. Am späten Nachmittag blasen wir das Beiboot auf, wandern zur Kirch hinauf von der aus wir einen weiten Panoramablick haben. Ziegen bewohnen das Dorf, einige Tiere sind sehr schön mit braun-weißem Fell und eleganten Bewegungen. Unser Mooring liegt am Ende des Feldes, die relative Abgeschiedenheit ist uns sehr recht. Die drei Restaurants am Strand scheinen alle ähnliches zu bieten, überall hat der Gast Blick über das Wasser, auf die Schiffe und das dahinter liegende Arki.

 

Die Inseln Fournoi und Ikaria sind kein Seglerparadies - jedoch paradiesisch schön

Am Donnerstag, den 30.6.2009, geht die Reise weiter nach Ikaria. 30 NM sind es bis dahin, der Tag bringt wechselnde Winde, die Hälfte der Zeit müssen wir motoren. Fournoi liegt auf dem Weg, wir besichtigen die zahlreichen Ankerbuchten, alle karg und meist einsam, doch der Ankergrund ist überwiegend steil abfallen und steinig. Schade, denn auf dieser stark untergliederten Insel mit dem kleinen Hafen für Fischerei wären wir auch gerne geblieben, doch so entscheiden wir uns bis nach Ikaria, nach Agios Kyrikos weiter zu segeln. Ikaria erscheint gegen das Licht der Nachmittagssonne düster; der lange Bergrücken verschattet die steile süd-östliche Küste. Der Hafen ist klein; 5 Yachten sind schon dort, wir finden noch einen Platz am Fähranleger, müssen dort aber am nächsten Morgen gegen 07:00 schon wieder weg, weil der Platz dann anderweitig gebraucht wird. Also verlassen wir zeitig am Morgen Agios Kyrikos schauen in den Hafen von Therma, aber der Ankergrund sieht dort auch nicht gut aus. Eine Bucht weiter finden wir Sandgrund, dort ankern wir für eine Frühstückspause und zum Schwimmen, gegen 09:00 Uhr sehen wir wie zwei Yachten Agios Kyrikos verlassen. Wir segeln zurück und machen an bevorzugter Stelle am Yachtpier fest, sodass wir das Boot alleine lassen können um die Insel zu besichtigen. Mittags mieten wir für 24 Stunden einen Kleinwagen.

 

Die Genossen gestern und heute

Die Insel ist für uns eine sehr schöne Überraschung, im Handbuch steht nur sehr wenig: Die politische Linke wurde unter der Militärdiktatur hierher exiliert, damit wurde die Inselbevölkerung verdreifacht - es soll Hunger und Elend gegeben haben und noch heute sei die Insel einer der armen Bereiche Griechenlands. Tatsache ist, dass die hier verkehrenden Autos recht alt sind, ansonsten macht alles hier einen gelassenen und sehr auskömmlichen Eindruck. Die Dissidenten haben überzeugt, die KKE, die kommunistischen Partei Griechenlands stellt hier Bürgermeister, rote KKE Flaggen zieren viele Mauern der roten Insel. Als 2008 der politisch umstrittene Nationalist und höchster  Geistlicher der griechisch orthodoxen Kirche Erzbischof Christodoulos verstarb wurde in ganz Griechenland Staatstrauer angeordnet und am Beerdigungstag hatte der Öffentliche Dienst Griechenlands dienstfrei. In der Verwaltung von Ikaria wurde aber auf ausdrücklichen Wunsch der Angestellten gearbeitet. Warum soll ein Beamter frei kriegen, wenn er nicht an der Beerdigungsfeier teilnehmen kann oder will? Wir erleben diese Insel als Paradies für Individualisten.

 

Kein Massentourismus

Die in Ost-West-Richtung gestreckte Insel wird der Länge nach durch die bis zu über 1000 Meter hohe Bergkette durchzogen. In den Tälern finden wir eine reichhaltige Landwirtschaft, die Orte sind gepflegt mit liebevoll bunten Gärten, auf Ikaria gibt es eigene Wasserquellen, ja sogar heilkräftiges Thermalwasser, weiße feinsandige Strände, Kiesstrände, Wälder, überall liegt der Duft der Feigenbäume und des blühenden Thymians in der Luft. Die Insel ist hell, grün und freundlich, es gibt sehr viele wunderschöne Wanderwege, historische Gebäude aus antiker und byzantinischer Zeit, recht gute Straßen, keinen Massentourismus und die Preise sind moderat. Die nordeuropäischen Gäste sind überwiegend treue Kunden, ihre schütter gewordenen langen Haare sind zum grauen Pferdeschwanz gebunden, dem Wildwuchs des Bart wird höchstens einmal im Monat die Schere entgegengesetzt und an den Orten in denen diese einstigen Hippies ihre Freiheit suchten finden sich heute Hinweisschilder, dass an diesem Strand weder frei gezeltet werden dürfe noch Nackerte erwünscht seien. Der griechische Inlandstourismus hat stilistisch die Oberherrschaft errungen. Ikaria hat nur an sehr wenigen Stellen mit touristischer Infrastruktur, insbesondere im Südwesten der Insel, wo es  zwischen Gialiskari und Armenistis  breite feine Sandstrände mit glasklarem türkisfarbenem Wasser gibt. Eine breite Asphaltstraße führt der Küste entlang zu den Klippen der weißsandigen Badebucht von Nas. Im versandeten Flussbett der Bucht sind die Fundamente eines Artemis Tempels zu sehen, an den Hängen der schluchtartigen Bucht kann man noch die Grundmauern antiker Bebauung erkennen - früher, als der Fluss Chalares noch schiffbar war, muss hier auch ein gut geschützter Hafen gewesen sein. Wir huldigen Artemis der Schutzgöttin der Seeleute von der Terrasse der Taverne bei einem kühlen Glas Wein aus Ikaria und Mussaka.

 

Dionysos und der Wein

Hochgelobt wurde der Wein aus Ikaria schon in der Antike und dazu gibt es die schöne Geschichten von Dionysos der eine beglückende Nacht mit Aphrodite auf dieser Insel verbracht hat, doch als er aufwachte, war die Schöne verschwunden und aus seinen Tränen wuchsen Weinstöcke. Eine andere Geschichte erzählt, dass Dionysos in Ikaria von Piraten verschleppt werden sollte. Als Beweis, dass er der leibhaftige Gott Dionysos ist, ließ er aus dem Segelmast eine Weinrebe wachsen und verwandelte die ungläubigen Piraten in Delphine. Ja, der Wein aus Ikaria beflügelt und ich träume ich sei Aphrodite, Peter Dionysos, die Twiga bietet uns ein Liebeslager unter einer Weinlaube. Apropos Flügel - da war auch Ikarus der dieser Insel den Namen gab, denn hier kam er der Sonne zu nahe, auf Ikaria hat der unglückliche Dädalus seinen Sohn bestattet.

 

Berauschende Landschaft

Wir berauschen uns nicht vom Wein sondern von der Landschaft durch die wir kurven. Eine Kurve geht in die nächste über, Haarnadelkurve auf Haarnadelkurve, immer wieder neue faszinierende Ausblicke. Im Innenland auf der Straße von Agios Kirikos nach Evdilos entdecken wir einen steilen isoliert gelegener Bergkegel auf dessen Spitze sich eine Kapelle befindet. Auf einem Schotterweg kommen wir näher und sehen, dass es sich hierbei um die Reste einer mittelalterlichen Festung, dem Kastros Koskina, handelt, zu der wir hinauf steigen. Eine verrottete Materialseilbahn zeigt von dem Versuch vor einigen Jahrzehnten die Burg zu restaurieren. Die relativ kleine Anlage beherbergt eine kleine orthodoxe Kirche. Ansonsten ist von der ursprünglichen Anlage nicht mehr viel zu sehen, doch der Blick über Insel ist die Mühe des Aufstieges allemal wert. Im kleinen Ort Karavostomo an der Nordküste würde ich gerne einmal länger verweilen, leider wurde der große neue Hafen nur für die lokalen Boote gebaut, auf den Yachttourismus wird offensichtlich keinen Wert gelegt. Zu hoffen ist, dass bei dem derzeitigen großzügigen Ausbau des Fährhafen Evdilos auch für Segelboote sichere Plätze geschaffen wird. Oft enden Projekte abrupt, wie die breite asphaltierte Straße die an der Nordseite zum Flughafen führt.

 

Sundowner

Am Abend beenden wir unsere Rundreise mit dem Besuch des langen Kiesstrandes von Fanarion im Nordosten. Nur wenige Besucher sind dort, mehrere  flach geschwungene Buchten reihen sich aneinander, nach Osten reicht der Blick bis Samos, im Süden liegt Fournoi. Das Wasser ist hier wärmer als auf der Nordseite, das Schwimmen angenehm und erfrischend, die Steinformationen am Ufer abwechslungsreich. Am Anfang der Bucht liegt ein kleiner Ort mit Pensionen und zwei Tavernen, die Gäste bleiben meist dicht an diesen kulinarischen Quellen, einige hundert Meter weiter sind wir wieder alleine. Fournoi liegt am südlichen Horizont. Auf dem Weg zurück zum Hafen schauen wir noch im Kurbad Therma vorbei, die Straße in den Ort ist eine Einbahnstraße, wobei der Hinweg identisch mit dem ausbetoniertem Bachbett ist, der nur bei den winterlichen Regenfällen aus den Bergen das Wasser ableitet, ansonsten trocken ist. Am Hafen verkauft ein Bauer vom Wagen weg sein Gemüse, uns haut er übers Ohr, denn auf die zehn Euro kann er angeblich kein Wechselgeld rausgeben, also legt er noch zwei Orangen dazu. Wieder an Bord besuchen uns noch die hungrigen Hafenenten. Ein Sundowner und der Entschluss morgen einen erzfaulen Tag zu machen bringen den Ausklang des Tages. Nun ja, ganz faul dann doch nicht, Diesel neu bunkern, Wasser auffüllen, Motor checken, Auto zurückgeben, Einkaufen, es ist unglaublich wie viel Zeit damit vergehen kann! Wie andere Menschen neben dem täglichen Leben noch Zeit für die Erwerbstätigkeit finden wird mir immer unklarer. Dann finden wir noch einen Schlachter der frisches Rinderfilet für 25€ pro Kilo verkauft. Für drei Tage ist für Fleisch gesorgt, am ersten Tag als Tartar dünn geschnitten auf einem Bett aus feingehackten Zwiebeln, Knoblauch, groben Pfeffer, Jogurt und Frischkäse auf Schwarzbrot, ein kräftiger würziger Genuss, wobei das zarte Fleisch fast auf der Zunge zergeht! An den nächsten zwei Tagen wird es dann Pfeffersteaks geben.

 

Heftige Fallböen

Freitags  früh um 04:00 Uhr piepst uns der Wecker mit pflichtgetreuer Penetranz wach. Es pfeift, Fallböen orgeln in den Wanten, mir ist ein wenig mulmig bei dem Gedanken jetzt auszulaufen, aber dann legen wir in der Dunkelheit schnell ab, motoren raus und segeln stark gerefft nach Nordosten zum Kap. Unter den steilen Bergen von Ikaria kommen immer wieder heftige Fallböen heran gefegt, doch dann wird das Land flacher, der Wind stetiger. In der Straße zwischen Samos und Ikaria wird die See kabbeliger aber der Wind stabilisiert sich aus Nordwest, die Reffs können bald raus und gegen 06:00 Uhr bei Sonnenaufgang sind wir schon 5 NM nördlich von Ikaria. Der Segeltag wird recht lang, 60 NM laufen wir bis 18:30 Uhr unter wechselhaften Bedingungen. In der Nähe von Chios dreht der Wind, statt des angesagten Westwindes bekommen wir 5-6 Beaufort N-NO und wir müssen aufkreuzen. Unser Tagesziel, Oinousses, erreichen wir so nicht, also gehen wir abends in den Stadthafen von Chios. Dort liegt schon die „Saphir", die wir schon auf Ikaria getroffen hatten. Der Eigner, ein freundlicher Türke und ein Deutscher helfen uns beim Anlegen im Südteil der weiten Hafenbucht.

 

LINS:

http://www.island-ikaria.com/beaches/messakti_beach.asp

http://theo48.wordpress.com/die-inseln/ikaria/

http://www.in-greece.de/ikaria/artikel/5036-twiganauten-seglerleben