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Meltemi

fähre

 

„Wir hatten einen stürmischen Törn, die Wellen waren über 2 Meter hoch, Einheimische haben mir gesagt, dass sei der Meltemi, der Wind aus dem Norden, der nur im Sommer besonders stark pustet, aber am 20. August ist der Spektakel wieder vorbei" erzählte Yahia, ein Neuling unter der Fahrtenseglern in der Ägäis. Das französische Ehepaar hatte erst vor ein paar Wochen ein Gebrauchtboot in Izmir gekauft, Boot und Crew hatten unmittelbar darauf den Härtetest Meltemi zu bestehen. Franzosen kennen natürlich die Kräfte und Auswirkungen des Mistrals, aber dass im östlichen Teil des Mittelmeer, der netten Badewanne, wo eine Insel der anderen so nah ist, an Segler auch sehr fordernde Bedingungen gestellt werden, war ihnen unbekannt.

Wir hoffen sehr, dass die Einheimischen recht haben und in diesem Jahr ab 20. August der Meltemi nicht mehr so heftig bläst. Letztes Jahr hatten wir im Segelrevier der Kykladen auch noch Mitte September sehr stürmische Segeltage, fast  täglich waren wir mit Windstärke 7 - 8 Beaufort konfrontiert. Wir bestimmten unseren Kurs nach dem Wind, waren auf dem Weg in den Süden, segeln hieß reffen. Obwohl wir bei Starkwind mit Sturmböen segelten, waren die schlimmsten Stunden oft im Hafen, wenn starke Fallböen von den Bergen pfiffen.

Zahlen beeindrucken aber geben wie in der Wirtschaft auch beim Segeln die Sachlage nicht genau wieder. Wenn der Meltemi mit 7 - 8 Beaufort bläst und wir mit ihm gehen, so erreichen wir mit der auf ein Minimum gerefften Genua Rumpfgeschwindigkeit und beim Surfen auf der Welle noch mehr. Wir haben hier in der Ägäis auch schon Wellen mit 3 - 4 Meter erlebt, die Frequenz der Wellen war aber lang. Wenn die Twiga zwischen die Wellenkämme passt, der Kurs stimmt, surfen wir mit dem Wind von Welle zu Welle. Es ist faszinierend zu spüren, wie die Welle das Schiff sanft hochhebt um dann rasant immer wieder Geschwindigkeitsrekorde brechend auf der Welle hinunter surft, von der nächsten Welle wieder hochgehoben wird, ein harmonisches oft Atem beraubendes Auf und Ab. Kurze, hakige See, wenn die Frequenz der Wellen gering ist, wenn es keine beindruckenden Zahlen von Wellenhöhe und Windstärke zu vermelden gibt, kann grausam und sehr anstrengend sein.

Bei Starkwind und auch bei Nacht einen sicheren Hafen zu verlassen kostet uns immer wieder Überwindung, aber wir machen es manchmal doch, nicht weil wir ein Abenteuer suchen, sondern weil wir weiterkommen wollen, verlassen wir auch wenn es rundum pfeift einen sicheren Hafen und peilen den nächsten sicheren Hafen an. Die zentrale Frage bei dieser Entscheidung ist, woher kommt der Wind, wollen wir uns seinen Wünschen anpassen? Manchmal ist die Orchestrierung der Wind und Wellenmusik durch Fallböen im Hafen dramatischer als draußen auf See, wie zum Beispiel heuer von Agios Kirikos in Ikaria oder von Gavrion in Andros oder Linaria auf Syros.

Von Syros nach Andros

Wir wollten weiter, der Wetterbericht Poseidon verspricht eine Beruhigung, Skipper Peter entscheidet wir legen um 4 Uhr früh vom Hafen Linaria auf Skyros ab und gehen weiter nach Andros in den Fährhafen von Gavrion, von dem Rod Heikel schreibt, dass man in diesem großen natürlichen Hafenbecken sicher liegt. Ich habe nichts dagegen, auch ich will weiter, vertraue auf die Götter und meinen göttlichen Skipper; das Vertrauen basiert auf einigen 1000 NM bei Starkwind und Sturmsituationen in der Ägäis. Es kostet mich immer wieder eine Überwindung zu der Entscheidung  bei Starkwind zu segeln "JA" zu sagen, denn ich weiß, aus Starkwind wird oft Sturm, die Wellen können sehr hoch werden, der Autopilot streikt wenn die Wellen das Boot zu heftig versetzen, auch erbrechen Wellen in das Boot, beim Reffen und an der Pinne spüre ich, welch schwaches Weib ich bin. Sind wir direkt im Geschehen mitten drin, gibt es kein Wenn und Aber mehr, da ist nur Zeit für Aufmerksamkeit auf Boot und Meer, es muss schnell gehandelt werden. Und am Ende, wenn wir dann endlich an einem sicheren Platz festgemacht haben, vor Anker sind, dann fühle ich mich erfüllt von Dankbarkeit und Freude, dass alles gut ausgegangen ist, ich die Kräfte der Natur so hautnah erleben durfte, dank dem umsichtigen und erfahrenen Skipper und der seetüchtigen Twiga. Dann gibt es einen Sundowner, eine richtige Mahlzeit, wir sind glücklich und dankbar auf dem Meer zu sein, auf dem Meer zu reisen.

Peter ist ein exzellenter Skipper, das heißt die immer wieder gefährlichen und stressigen An- und Ablegemanöver im Hafen werden genau geplant und besprochen, so weiß ich, welche Situationen eintreten können, unsere Handlungsmöglichkeiten, meine Arbeit, denn es muss schnell gehandelt werden und die Kommunikation zwischen Vorschiff und Pinne ist durch Worte meist schwierig, außerdem sind die Gefahren nah am Land größer als auf See. Während des Ablegemanöver  von Linaria um 4 Uhr früh pfeift es, der Wind drückt uns gegen die Hafenmauer, wir müssen 2 Anker aus dem Grund holen, dabei verhakt sich unser Hauptanker an einem großen Drakenanker kurzfristig , das schwierige Manöver lief schnell und gut, sofort setzen wir die Segel, lassen aber für eine halbe Stunde den Motor noch mitlaufen um die Batterie aufzuladen. Es ist noch stockfinstere Nacht, gut dass wir beim Ankommen bei Tageslicht die vielen Untiefen und Gefahren, die es hier in Landnähe gibt schon gesehen haben, und dank GPS sehen wir am beleuchteten Bildschirm unsere Position und die Gefahren. Weg vom Land wird es einfacher, unser Kurs ist Süd, parallel der Ostküste von Euböa, der Meltemi bläst schon am Morgen mit 5 - 6 Beaufort. Wir stellen fest, wir sind wieder einmal die einzigen die bei solchen Wetter draußen sind, doch es ist gar nicht so unangenehm, da wir den perfekten Kurs haben, der Wind von achtern kommt. Die Wellen sind zwar hoch, in den Tälern sehen wir nur Wasser, doch bevor wir wieder hinab surfen sehen wir aus, da ist noch einer unterwegs, ein Frachtschiff, dieses müssen wir im Auge behalten. Auf diesen großen Schiffen sind zwar Menschen mit seemännischer Ausbildung unterwegs, was wir ja nicht sind, Fahrtensegler sind begeisterte Dilettanten, ein Boot unter Motor muss auch einem Boot unter Segeln ausweichen, all diesen Fakten und Regeln trauen wir nicht, denn wir wissen, dass diese Riesen aus wirtschaftlichen Gründen einfach die Meere durchpflügen kein Mensch auf der Brücke steht. Das Frachtschiff fährt mit großer Geschwindigkeit auf Kollisionskurs auf uns zu, wir müssen eine Wende machen um der Gefahr zu entgehen.

Wir haben ein bisschen ein mulmiges Gefühl von der Enge zwischen Euböa und Andros, dort soll eine ziemlich starke Strömung sein und auch der Wind wird sich verstärken, positiv daran ist, alles drängt nach Süden, wir auch. Aus starkem Wind, wird steifer Wind, stürmischer Wind mit Sturmböen, die Wellen werden noch höher. Sind sie nun schon 3 oder gar 4 Meter hoch? Die Wellen und eine starke Strömung schieben uns vorwärts, die Twiga stellt einen neuen Rekord im Wellensurfen auf 11,6 Knoten über Wasser, sagt das GPS. Faszination der Geschwindigkeit gleichzeitig ist es trotz achterlichem Wind und vorsorglichem Reffen harte Arbeit den Kurs zu halten - das Anluven und Abfallen im Takt der Wellen ist für den Rudergänger Schwerarbeit, denn bei solchen Bedingungen streikt Charly unsere automatische Steuerung.

Staunen -Im Fährhafen

Wir sind froh, als wir in der Hafeneinfahrt von Gavrion an der Nordwestseite von Andros sind. Doch den von Rod Heikel bei Meltemi als sicher und gut beschriebene Naturhafen erleben wir als äußerst ungemütlich. Schon die Einfahrt war durch Strömung und starkem Fallwind nicht einfach zu bewältigen, nur 1 Knoten Fahrt bringt unser 10 PS Motor bei 2000 Umdrehungen. Es ist wiederum ein griechischer Hafen, der scheinbar vom Büro aus geplant wurde, ohne die spezifischen Windbedingungen zu beachten - ein Segler braucht mehr als schöne Kandelaber. Logischerweise haben die Einheimischen die besten Plätze belegen, doch da ist noch ein Platz an der Kaimauer, wo wir längsseits gehen können und uns der Wind vom Kai wegdrückt. Sofort sind Männer da, die unsere Leinen annehmen, uns helfen festzumachen - es sind die Arbeiter des Fährbetriebes, wir machen direkt neben den Fähranleger fest -  und dann fährt schon die erste Fähre ein, unser erstes Fährenerlebnis hautnah. Zu den starken Fallböen im Hafen kommt jetzt noch die direkt Heckwelle der Fähre und der Schwell der durch das Manövrieren erzeugt wird auf uns zu - sehr kräftig, den bei diesem Sturm muss natürlich der Riese richtig auf die Tube drücken. Die Twiga schiebt am Kai Lage, so etwas haben wir noch nie gehabt - nach den Erlebnissen des Tages können wir nur noch Staunen. Sicherheitshalber bringen wir zu den Fender Festmacherleinen noch 2 weitere elastische Festmacherleinen aus, auch die Springleinen machen wir in zweifacher Ausführung und dann Abwettern im Hafen - die Sprayhood wird abmontiert. Endlich ist Zeit für ein kühles Bier, die Dosen dürfen wir jedoch nicht aus der Hand geben, die würden sofort über Bord gehen. Und gleich darauf kommt die nächste Fähre, unsere Vertäuung bewährt sich, die Twiga bewegt sich heftig aber elastisch, kein Rucken. Und es kommen noch viele Fähren, eine legt ab, die andere kommt an, wir sind jedes Mal direkt mit den Manövern konfrontiert. Interessiert beobachten Geschehen, präzis und schnell arbeiten alle Beteiligten, die Hafenarbeiter kämpfen bei Gischt und Sturm die Kolosse festzumachen, die vielen Menschen, Fahrzeuge in und aus der Fähre zu treiben. Einmal kam der Anker der Fähre ins Slippen während der Zuladung, ein anders Mal waren es fünf Anlege versuche - solch ein gruslig interessantes Hafenkino hatten wir noch nie. Wir sind auch noch nie in einem so unangenehmen Hafen gelegen, am ärgsten ist  der Dreck und Sand der von der Betonpier auf und in unserem Boot landet. Da wir in die Situation nicht verbessern können, die Twiga sicher vertäut ist, mieten wir ein Auto  und kurven rund um die sehenswerte Insel. Von den Klippen sehen wir die weiß schäumende Gischt des Meeres, nein, dort draußen wollen wir jetzt nicht sein. Wir entdecken, dass ein paar Kilometer südlich in Batsi ein neuer Hafen gebaut wurde, der auch ein paar sehr gute Plätze für Segelboote bietet. Überall wird gebaut und stehen Neubauten, das erklärt auch den regen Fährverkehr, unzählige Menschen pendeln zwischen Athen und Andros. Wir fahren zur eleganten Hauptstadt, sind vor 15 Uhr, der Sperrstunde aller Museen in Griechenland, dort und können das großartige Privatmuseum der modernen Kunst besuchen. Auch hier in der Heimatstadt einiger Reederfamilien ist man dabei einen neuen Hafen zu bauen. Andros ist eine schöne gebirgige Insel mit fruchtbaren Tälern die mit kleinen idyllischen Sandbuchten im Meer enden. Wieder eine schöne Insel die einlädt länger zu bleiben, doch nicht bei der derzeitigen schaurig sicheren Hafensituation. Am Morgen des dritten Tages pfeifen die Fallböen noch immer heftig im Hafen, der Wetterbericht versprich eine Wetterberuhigung, der Blick aufs Meer bestätigt dies auch, deshalb legen wir ab, mit der Hoffnung auf besseren Bedingungen im Hafen Korissia auf Kea. Es ist noch Starkwind, unser dreckiges Deck wird ordentlich gespült, wir kommen mit minimaler Segelfläche gut voran und bekommen im Hafen von Korissia einen guten Platz an der Pier. Jetzt haben wir wieder den Luxus des gemütlichen und exzellenten Twiga -Restaurant.